Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 15.12.2007

Milbradt drückt aufs Tempo

Nach Landesbank-Rettung sucht Regierungschef die Offensive / Treffen von Biedenkopf und Hähle
 
Dresden. CDU-Fraktionschef Fritz Hähle ist ein gefragter Mann derzeit. Gestern, am Rande des Plenums, gaben sich die Unionsspitzen im Halbstundentakt die Türklinke in seinem Landtagsbüro in die Hand. Nicht zuletzt Regierungschef Georg Milbradt (CDU) hatte offenkundig akuten Gesprächsbedarf, anschließend waren Finanzminister Stanislaw Tillich und CDU-Finanzer Matthias Rößler zu interner Runde bei Hähle. Und alle CDU-Abgeordneten, die das eifrige Treiben im dritten Stock beobachteten, waren derselben Meinung: Thema bei den Spitzentreffen könne nur die SachsenLB sein – und die Zukunft von Milbradt.

Dieses Szenario wird durch eine weitere, pikante Facette befeuert. So wurde gestern bekannt, dass der Fraktionschef auch schon am Donnerstag hohen Besuch begrüßen konnte: Kein Geringerer als Alt-Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) hatte sich bei Hähle, seinem alten Vertrauten, angemeldet – mitten in der Debatte um die spektakuläre Rettungsaktion für die Landesbank. Dass sich „König Kurt“, der Milbradt-Kontrahent aus früheren Tagen, genau zu diesem Zeitpunkt mit Hähle im Landtag verabredet hatte, sorgte auch gestern für eifriges Tuscheln auf den CDU-Fluren.

Dabei muss Milbradt in den kommenden Tagen noch einige Hürden nehmen. Am Montag tagt das CDU-Präsidium zum Thema SachsenLB, Mittwoch soll der Haushalts- und Finanzausschuss des Landtags den Milliarden-Deal mit der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) absegnen. Und am Donnerstag findet dann eine Sondersitzung des Plenums statt. In Planung dafür ist ein Entschließungsantrag von CDU und SPD mit dem Tenor: Der Landtag möge die Regierung beim Deal mit der LBBW unterstützen.

Der beinahe geplatzte Notverkauf der Bank hatte für heftige Turbulenzen gesorgt. In der Nacht zu Donnerstag kam dann die Einigung, wonach die LBBW die SachsenLB für 328 Millionen Euro übernimmt. Im Gegenzug muss Sachsen allerdings eine Ausfallbürgschaft in Höhe von 2,75 Milliarden akzeptieren. Die Opposition fordert deshalb den Rücktritt Milbradts, und einige Abgeordnete vom Koalitionspartner SPD haben sich dem bereits angeschlossen. In der CDU ist die Stimmung angespannt – mindestens.

Eben deshalb will Milbradt jetzt ganz offensichtlich in die Offensive gehen. Bereits an diesem Wochenende, spätestens aber Montag, sei eine „Einbestellung“ der besonderen Art geplant, hieß es gestern aus Regierungskreisen. Milbradt wolle „Tempo machen“, fordere ein hochrangiges Treffen – mit Finanzminister, Staatssekretären, Bankern und Wirtschaftsprüfern. Letztere sollen die dubiosen Milliarden-Geschäfte der SachsenLB-Töchter durchleuchten und im Januar einen Bericht vorlegen. Passend dazu verlautete, dass der Untersuchungsauftrag zum Thema aber eventuell erweitert werden soll.

Unterdessen machten in der CDU Spekulationen über einen möglichen Nachfolger von Milbradt die Runde. Die neue Lesart lautet: Kanzleramtsminister Thomas de Maizière sei nicht mehr im Rennen. Grund dafür ist die Tatsache, dass dieser noch als Finanzminister in Sachsen die Neuausrichtung der Landesbank auf riskante Auslandsgeschäfte mit eingeleitet hatte. Neben Dauer-Kronprinz Steffen Flath wird dafür in letzter Zeit vor allem ein Name gehandelt: Finanzminister Tillich. Der, sagen CDU-Abgeordnete im Dutzend, habe zwar auch mit der Landesbank zu tun – aber erst seit wenigen Wochen.
Von JÜRGEN KOCHINKE