Karl Nolle, MdL
Agenturen ddp-lsc, 11:35 Uhr, 16.12.2007
Schweigen, Wegsehen, Schönreden
Wie ein weiterer Bankenskandal in Sachsen unter den Teppich gekehrt wird
Berlin (ddp). Wenn Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) die Verwaltungsratssitzung der Leipziger Sparkasse am 17. Dezember um 15.30 Uhr eröffnet, steht der neue Vorstandsvorsitzende der Bank, Harald Langenfeld, vor dem Lackmustest. Spätestens bei Punkt 3 der Tagesordnung, "Risikostrategie", muss der Chef der zweitgrößten Sparkasse in den ostdeutschen Bundesländern den Mut haben, einen hohen Verlust für das Jahr 2007 zu offenbaren, so ein Insider. Ursache sind eine Reihe erheblicher Wertberichtigungen, vor allem durch fragwürdige Geschäfte unter dem früheren Vorstandsvorsitzenden Peter Krakow, die durch Überprüfung einzelner Kreditengagements seitens der Bank ans Licht gekommen sind.
Seit Wochen streut Langenfeld Hiobsbotschaften: Reduzierung von Personal und Sponsoring, Schließung von Filialen, keine Ausschüttung an die Sachsen Finanzgruppe - die Dachorganisation der sächsischen Sparkassen. Nach einem Jahresüberschuss von rund 21 Millionen Euro im vergangenen Jahr hatte Langenfeld den Verwaltungsrat, das Aufsichtsgremium des Leipziger Geldhauses, bereits auf einen dramatischen Gewinneinbruch eingeschworen. Es droht neuerdings ein Minus in zweistelliger Millionenhöhe für 2007, erzählt ein Insider. Grund seien die erhöhten Einzelwertberichtigungen aus diesem Jahr, die bei einer bankinternen Prüfung der letzten Wochen festgestellt worden seien - ein Ergebnis, das der Politik, vor allem nach der Krise der Sachsen LB, ungelegen kommt. Die Sparkasse selbst wollte auf Anfrage der Nachrichtenagentur ddp "interne Vorgänge in der Öffentlichkeit nicht kommentieren". Für den Verwaltungsrat kann die Geschäftsentwicklung eigentlich keine Überraschung sein. Im Mai 2006 hatte die Wirtschaftprüfungsgesellschaft Deloitte & Touche einen 114-seitigen Bericht zu fragwürdigen Kreditengagements der Sparkasse vorgelegt. Darin hieß es, dass es "wiederholt zu Auffälligkeiten gekommen ist".
Einer der Nutznießer war beispielsweise der Immobilienentwickler Oliver Hirt, ein Golfpartner und enger Freund von Ex-Sparkassenchef Krakow. Krakows Wohnung befindet sich in einem Haus, das einer Hirt-Firma gehört. Hirt und einer seiner Geschäftspartner hatten im Jahr 2000 über eine andere Bank einen Kredit aus Japan in Höhe von 11,8 Millionen Euro erhalten. Damals lagen die Zinsen in Japan bei nur 2,28 Prozent, weit unter deutschem Niveau. Für diesen Kredit, so der Bericht, hatte "die Sparkasse unwiderrufliche Garantien abgegeben". Gleichzeitig schloss die Sparkasse mit Hirt und seinem Partner Vermögensverwaltungsverträge über insgesamt 5,6 Millionen Euro ab und sagte eine Verzinsung von neun Prozent zu. Sollte das Ergebnis unter- oder oberhalb dieses Ziels liegen, würde die Sparkasse zur Hälfte an der entsprechenden Differenz beteiligt.
Dieses großzügige Geschäft wurde genehmigt, obwohl die zuständigen Mitarbeiter auf "die im Vergleich zu den üblichen Verträgen vorgesehenen Besonderheiten und das damit verbundene erhebliche Risikopotenzial" hinwiesen. Im Deloitte-Bericht wird betont, dass die Sparkasse die Zielrendite von neun Prozent in der Folgezeit nicht erreicht hat. Sie musste für das Geschäft mit Hirt deshalb Rücklagen in Höhe von 1,7 Millionen Euro bilden. Die Prüfer bemerkten: "Weitere Verträge dieser Art mit anderen Kunden hat die Sparkasse nicht abgeschlossen."
In dem Bericht findet man viele ähnlich fragwürdige Kredite der Sparkasse mit Hirt und mit Firmen, deren Gesellschafter er ist, sowie mit seinem Geschäftspartner Johannes Schamburg. Im Jahr 2003 wurden Schulden in Höhe von 4,6 Millionen Euro bei Hirt und Schamburgs Firma WHD abgelöst durch einen Kredit an eine "im Wesentlichen vermögenslose Gesellschaft" namens Dorana (Alleingesellschafter Schamburg) in Höhe von 11 Millionen Euro. In ihrem Votum meinte die Kreditabteilung der Sparkasse, das Engagement entspreche "nicht der geltenden Kreditrisikostrategie der Sparkasse".
Besonders kritisieren die Prüfer die Auszahlung von zwei Millionen Euro des Kredits auf ein Privatkonto Schamburgs. Laut Kreditbeschlussvorlage sollte die Dorana als "eine Art Finanzierungsgesellschaft der WHD" eingesetzt werden. Die ungewöhnliche Auszahlung auf ein Privatkonto, so die Prüfer, von Krakow und einem Bevollmächtigten der Bank freigegeben, verstoße "gegen die Beschlussvorlage des Kreditausschusses, gegen die Regelungen des Kreditvertrages und gegen bankübliche Sorgfaltspflichten".
Der Bericht beeindruckte Jung und den restlichen Sparkassen-Verwaltungsrat offenbar wenig. Das Gremium sprach "dem Vorstand mit großer Mehrheit sein Vertrauen" aus. "Verstöße" des Vorstands seien "nicht erkennbar". Auf Anfrage zum Vorgang verwies der Verwaltungsratsvorsitzende Jung an die Sparkasse Leipzig.
Während in Sachsen der Fall langsam verblasste, beschäftigten die Geschäftspraktiken der Sparkasse Leipzig die darauf aufmerksam gewordene Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Die von außen auf den Fall blickende BaFin kam zu einem anderen Ergebnis: "Sowohl die Vielzahl als auch der zum Teil sehr gravierende Charakter dieser Prüfungsfeststellungen machen auch hier weitere Ermittlungen erforderlich", teilte die Aufsichtsbehörde der Sparkasse in einem der Nachrichtenagentur ddp vorliegenden Brief vom Februar 2007 mit. Weiter heißt es, "personen- oder institutsbezogene bankaufsichtliche Maßnahmen" seien nicht mehr auszuschließen. Wenige Tage später meldete sich die Bankenaufsicht erneut beim Verwaltungsratsvorsitzenden Jung und monierte die Kreditzahlung auf das Privatkonto Schamburgs. Krakows Anweisung dafür habe "objektiv eine andere Verwendung" gehabt, als in der Beschlussvorlage festgelegt worden sei. Dem hat Krakow in einer Stellungnahme an die BaFin vom 29. März 2007 widersprochen: Der Kreditvertrag enthalte "keine Vorgaben bezüglich des Zahlungsweges".
Der BaFin platzte endgültig der Kragen, als sie feststellte, wer ihre Fragen zu der Schamburg-Gruppe beantwortet hatte: Die Sparkasse hatte einen Anwalt beauftragt, der "selbst ein Teil der verfahrensgegenständlichen Johannes Schamburg Gruppe ist."
Laut einem Mitglied des Verwaltungsrats, das anonym bleiben will, war Krakow Ende März 2007 wegen der Befunde der BaFin nicht mehr lange zu halten. Die Sparkasse verkaufte Krakows frühzeitiges Ausscheiden zum Ende August als Erfolg: "Generationswechsel bei der Sparkasse Leipzig". Krakow schrieb in einer persönlichen Erklärung ebenfalls vom Generationswechsel. Der restliche Vorstand entschied sich kurzfristig, künftig anderen Aufgaben nachzugehen.
Insgesamt laufen zum Komplex "Sparkasse Leipzig" inzwischen mehrere Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft Leipzig, darunter gegen Krakow wegen Untreue (Aktenzeichen 601 Js 11799/06). Krakow hat auf Anfragen von ddp nicht reagiert.
Von ddp-Korrespondent Mathew D. Rose