Karl Nolle, MdL

Neues Deutschland ND, 21.12.2007

Milbradts Dispo-Kredit ist aufgebraucht

Notverkauf der SachsenLB: SPD rückt von Regierungschef ab / Opposition kritisiert Verfahren
 
Sachsens Landtag beriet gestern den schon tags zuvor beschlossenen Notverkauf der Landesbank. Koalitionspartner SPD rückte dabei klar von Ministerpräsident Georg Milbradt ab.

Sachsen ist noch knapper als bisher angenommen einem Finanzdesaster entgangen. Als Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) vorigen Donnerstag dem Landtag die nächtliche Lösung zum Verkauf der Landesbank nach Baden-Württemberg bekannt gab, war das Institut nur um Stunden der Schließung entgangen. Die Bundesaufsicht für Finanzen habe den Schritt für jenen Morgen angedroht, sagte Finanzminister Stanislaw Tillich (CDU) gestern in einer Regierungserklärung. Die Folgeschäden hätten »um ein Vielfaches höher gelegen« als die jetzt gewährte Bürgschaft über 2,75 Milliarden Euro.

Auf Dankbarkeit hoffen Tillich und insbesondere Milbradt angesichts des abgewendeten GAU aber vergebens – im Gegenteil. Während der Finanzminister in der von der LINKEN beantragten Sondersitzung den Verkauf samt Bürgschaft verteidigte und erklärte, es gebe für »Untergangsstimmung keinen Anlass«, übt neben der Opposition auch der Regierungspartner SPD scharfe Kritik – und fordert deutlicher als bisher Konsequenzen von Milbradt. »Nutzen sie die besinnlichen Tage, um in Ruhe über ihre Verantwortung nachzudenken«, sagte Fraktionschef Martin Dulig: »Der politische Dispositionskredit des Ministerpräsidenten ist bis zum Anschlag ausgereizt.«

Missbilligungsantrag wurde abgelehnt

Dulig wies auch Verweise auf die Mitverantwortung von Landesvertretern in Bankgremien zurück: »Der kühl kalkulierende Ökonom will die Verantwortung sozialisieren.« Der SPD-Abgeordnete Karl Nolle warf Milbradt vor, dieser sei über die Zustände in der Bank, seinem »Lieblingskind«, stets »bestens informiert« gewesen: »Die politische Verantwortung für das Bank-Fiasko liegt bei ihnen.«

Damit erhöht sich der politische Druck auf Milbradt, auch wenn ein von der LINKEN gestellter Missbilligungsantrag gestern mehrheitlich abgelehnt wurde. Deren Fraktionschef André Hahn erklärte, Milbradt sei »politisch am Ende«. Er rief auch nach juristischen Konsequenzen: Politiker, die »für Milliardenschäden verantwortlich sind, dürfen nicht straffrei ausgehen«. Grünen-Chefin Antje Hermenau nannte den Regierungschef ein »Standortrisiko für Sachsen«.

Milbradt selbst lehnt es weiterhin ab, Konsequenzen aus dem Bank-Debakel zu ziehen. Er werde sich »am Schwarzer-Peter-Spiel nicht beteiligen«, sagte der Regierungschef und verwies auf den für Januar angekündigten Bericht von Wirtschaftsprüfern. Erst danach könne man über Verantwortung reden. Statt Fehler einzuräumen, verteidigte Milbradt wichtige frühere Entscheidungen zur Bank, etwa zum verstärkten Engagement an den Kapitalmärkten.

Für heftige Kontroversen sorgte gestern noch einmal das von der Regierung gewählte Verfahren zur Bereitstellung der Bürgschaft. Diese war bereits am Mittwoch vom Haushalts- und Finanzausschuss des Landtags beschlossen worden, wofür der Betrag von 2,75 Milliarden Euro in zwei Tranchen gestückelt wurde. Die Landtagssitzung, so Hahn, sei daher »eine Farce« geworden.

Mehreinnahmen werden geopfert

Im Gegensatz zu Milbradt, der den Weg als »nicht nur juristisch, sondern auch politisch richtig« bezeichnete, hält Hahn einen Nachtragshaushalt für »zwingend« und kündigte die Prüfung einer Klage an. Hermenau, die einen solchen Schritt bereits avisiert hatte, nannte das Vorgehen »mindestens Rechtsbeugung, wenn nicht sogar Rechtsbruch«. Sie verwies auf Vorgaben der Haushaltsordnung, wonach eine Bürgschaft bei einem absehbaren Fälligwerden eines Gesetzes bedürfe. Dass Sachsen für die Verluste der Landesbank herangezogen werde, sei »wahrscheinlich«, sagte sie. Dagegen hatte Tillich erklärt, er gehe »nicht von einer hohen Wahrscheinlichkeit aus«. Dennoch werde für die Bürgschaft eine Rückstellung von 825 Millionen Euro aus Steuermehreinnahmen gebildet.
Von Hendrik Lasch, Dresden