Karl Nolle, MdL

Frankfurter Rundschau, 19.12.2007

Milbradt: Die Stunde der Heuchler

 
Als vor eine Woche die Bombe geplatzt war, verkündete der Dresdner FDP-Landtagsabgeordnete Holger Zastrow im Landtag, nun habe die "Stunde der Patrioten" geschlagen. Alle müssten zusammenstehen. Die nach Immobilienspekulationen in den USA pleitegegangene sächsische Landesbank war der Landesbank Baden-Württemberg angedreht worden. Was Ministerpräsident Georg Milbradt ausgehandelt hatte, war eine Bürgschaft über 2,75 Milliarden Euro. Von Sachsen zu zahlen im Katastrophenfall.

Doch die "Stunde der Patrioten" brach nicht an. Es wurden Stunden der Heuchelei. André Hahn, Chef der Linksfraktion, verkündet seitdem lauthals, Milbradt dürfe keinen Tag länger im Amt bleiben nach dem Debakel. Etwas leiser heißt es bei den Linken: Am besten, er bleibe bis zur Landtagswahl 2009. Ein schöneres Weihnachtsgeschenk als den dauerhaft angeschlagenen CDU-Ministerpräsidenten könne sich die Opposition nicht vorstellen.

Aber auch in der CDU schlug die Stunde der Heuchler. Milbradt zeige sich einmal mehr als "Krisenmanager für Sachsen", lobten die Bundestagsabgeordneten Arnold Vaatz und Michael Luther den Ministerpräsidenten, während hinter den Kulissen längst daran getüftelt wird, wie man ihn ohne großen Krach und Gesichtverlust aus dem Amt drängen kann.

Regierungschef spielt auf Zeit

Denn dass Milbradt gehen soll, ist unbestritten. Die CDU will nicht mit ihm in die Landtagswahl 2009 ziehen. Hinter den Kulissen sagt das fast jeder, offen derzeit keiner. Milbradt selbst spielt auf Zeit, vertröstet seine Union darauf, erst müssten die Fakten auf den Tisch, die derzeit von Wirtschaftsprüfern zusammengetragen werden und das Desaster erklären sollen. So machte er es auch nach der vergurkten Landtagswahl 2004.

In Regierungskreisen geht man fest davon aus, dass Milbradt stets gewusst habe, wie schlimm es um die Bank bestellt war. Angeblich werden die Beweise dafür gerade zusammengesucht, um sie dem Ministerpräsidenten beizeiten unter die Nase zu reiben. Derzeit kursiert ein Spruch von Milbradt aus den letzten Amtstagen Kurt Biedenkopfs vor sechs Jahren. Als der bis zum Hals in einem Strudel aus Miet- und Dienstwagenaffären steckte, fragte ihn Milbradt: "Ist da noch was, Kurt?" Derzeit fragen sich CDU-Abgeordnete: "Ist da noch etwas, Georg?" Am Donnerstag wird der Landtag wohl mit der Regierungsmehrheit der Bürgschaft zustimmen.

In der CDU geht man davon aus, dass Milbradt im Januar seinen Sessel räumt. Möglicherweise nach dem 23. Januar, der Verabschiedung der umstrittenen Verwaltungsreform. Und zusammen mit dem amtsmüden Innenminister Albrecht Buttolo. Das Einzige, was noch fehle, heißt es in Dresden, sei der Plan B: Wer bringt es ihm wie bei? Und wer übernimmt dann die Regierungsgeschäfte?
VON BERNHARD HONNIGFORT