Karl Nolle, MdL
Berliner Zeitung, 17.12.2007
Bankenkrise: Die Politik will weiter mitmischen
Betriebswirtschaftliche Kriterien sind für Jürgen Rüttgers bei der WestLB-Neuordnung nur ein Randaspekt
Bevor sie sich nach den zuletzt turbulenten Tagen in den ersehnten Weihnachtsfrieden verabschieden können, haben die sächsischen Haushalts- und Finanzpolitiker noch eine lästige Pflicht zu erfüllen: Sie müssen eine Teilbürgschaft von 1,45 Milliarden Euro zur Abdeckung der aus dem Fiasko der Sachsen LB resultierenden Risiken beschließen. Das ist ohne Zustimmung des Landesparlaments möglich, weil im Etat des Freistaats Vorsorge für Bürgschaften von jährlich bis zu 1,75 Milliarden Euro geschaffen wurde, wovon bislang nur ein Teilbetrag von 300 Millionen Euro verbraucht wurde. Anfang kommenden Jahres folgt dann die Gewährung der zweiten Bürgschaftsrate in Höhe von dann noch 1,3 Milliarden Euro - und zwar wieder ohne Zustimmung des Parlaments.
Für die sächsische Politik ist das Kapitel Sachsen LB damit formal erledigt, ohne dass es im Etat zu Belastungen für die einzelnen Bürger führen muss. Allerdings könnte sich der Großverbrauch der Bürgschaftsmittel dann als schmerzlich erweisen, wenn im nächsten Jahr die Rückendeckung des Freistaats für plötzlich in Not geratende mittelständische Betriebe erforderlich würde und diese Gelder dann fehlen sollten. Aber das ist der politische Preis, den Sachsen dafür zu zahlen hat, dass die Landesbank über ihre Auslandstochter mit Billigung der Landespolitik - und spätestens seit zwei Jahren auch mit deren Wissen um die konkreten Risiken - das ganz große und überhaupt nicht steuerbare Spekulationsrad im Geschäft mit verbrieften Forderungskonstrukten drehte.
Noch macht der über die Sachsen LB-Affäre mehr als nur angeschlagene CDU-Ministerpräsident Georg Milbradt in Optimismus: Es sei noch gar nicht ausgemacht, ob die Landesbürgschaften überhaupt in vollem Umfang in Anspruch genommen werden müssten. Mit dieser Hoffnung indes steht Milbradt ziemlich allein. Denn Papiere von guter bis sehr guter Bonität wurden vorab aussortiert. Haften muss der Freistaat somit "nur" für die Risiken der schlechteren Papiere. Damit aber ist eine Eintrittswahrscheinlichkeit des Haftungsfalls sehr wohl gegeben.
Angesichts des sächsischen Desasters möchte man meinen, dass den Landespolitikern die Lust an politisch motivierten Eingriffen in das Bankgewerbe gründlich vergangen ist. Dass dem nicht so ist, zeigen die immer neuen WestLB-Partner-Modelle, mit denen NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) den vermeintlich so wichtigen Finanzplatz Düsseldorf stabilisieren möchte. Auch die - im Kern eigentlich noch gesunde - WestLB ist im Geschäft mit den Forderungspapieren in Milliarden-Dimension engagiert. Zu wünschen wäre ihr mithin ein starker Partner. Ein Partner zudem, dessen Geschäftsstärken die der WestLB betriebswirtschaftlich möglichst sinnvoll ergänzen. Bei der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) wäre das der Fall, zumal auch die Verflechtungen zwischen der NRW-Wirtschaft und der des Ländles intensiv sind.
Dennoch will Rüttgers die wirtschaftlich zweit- oder gar drittbeste Lösung: den Verbund mit der Helaba. Einer der Gründe (man glaubt es kaum) lautet, Rüttgers "könne" besser mit Hessens Regierungschef Roland Koch als mit dessen Stuttgarter Kollegen Oettinger. Koch kommt die Rüttgers-Offerte im aktuellen Wahlkampf durchaus gelegen, nutzt sie aus seiner Sicht doch zuallererst dem Bankenplatz Frankfurt. Aber ins Risiko gehen mag der clevere Hesse nicht: Eine Haftungserklärung müsse das Land NRW für eventuell fragwürdig werdende WestLB-Positionen vor einem Verbund mit der Helala schon abgeben. Rüttgers scheint geneigt, darauf einzugehen, allen wirtschaftlichen und für das von ihm regierte Land günstigeren Alternativen zum Trotz.
Ewald B. Schulte