Karl Nolle, MdL

Freie Presse Chemnitz, 27.12.2007

"Milbradt steht zur Verantwortung"

CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer über die Auswirkungen der Affäre um die Sachsen-LB
 
Dresden. Der Generalsekretär stärkt seinem schwer bedrängten Landesvorsitzenden und Ministerpräsidenten den Rücken. Er halte es für ausgeschlossen, dass Georg Milbradt von der Risikolage der Sachsen-LB so gut informiert war wie die Aufsichtsräte – auch die der anderen Parteien, sagt CDU-Manager Michael Kretschmer. Für die Fehlentscheidungen in einer Landesbank könne der Ministerpräsident nicht stärker zur Verantwortung gezogen werden als die Vorstände und Kontrollorgane. Wie Milbradt und mit ihm die CDU aus der Krise kommen wollen, darüber sprach Hubert Kemper mit Kretschmer.

Freie Presse: Ihr Landesvorsitzender und Ministerpräsident steht mächtig unter Druck Wie lange wird die CDU Georg Milbradt noch halten können?

Michael Kretschmer: Eines ist sicher: Georg Milbradt steht zu seiner Verantwortung und behält den Überblick in dieser schwierigen Zeit. Das nächste wichtigste Etappenziel ist im Januar die Verabschiedung der Verwaltungs- und Kreisreform. Das ist ein einmalig ambitioniertes Projekt, das die Regionen und die Kommunen Sachsens erheblich stärken wird. Dann folgen am 8. Juni als wichtiger Stimmungstest die Kommunalwahlen. Die CDU will nach Möglichkeit alle Landräte stellen.

Freie Presse: Mit Milbradt als Wahlkampf-Lokomotive? Kretschmer: Derzeit wird versucht, auf ihn die Schuld im Zusammenhang mit der Sachsen-LB abzuwälzen. Das funktioniert so nicht. Klar ist, die Verantwortung reicht wie an einer Kette von den Managern in Dublin und Leipzig über den Risikosteuerungsausschuss, die Vorstände, die Wirtschaftsprüfer sowie andere Räte und Ausschüsse bis hin zum Bundesamt für Finanzdienstleistungen und das Finanzministerium als Rechtsaufsicht. Mit welcher Begründung wollen Sie den Ministerpräsidenten eines Landes dafür verantwortlich machen, dass innerhalb einer Bank so viele Menschen die Gefahren nicht gesehen haben? Der Bericht unabhängiger Wirtschaftsprüfer dürfte das in Kürze aufklären.

Freie Presse: Warum? Haben alle Mitglieder in den Aufsichtsgremien, also auch Ihrer Partei, ihre Kontrollpflichten vernachlässigt? °

Kretschmer: Umgekehrt liegt der Verdacht nahe, dass der Vorstand seinen Informationspflichten nicht im ausreichendem Maße nachgekommen ist. Im übrigen saßen in den Gremien auch Vertreter der Parteien, die heute mit dem Finger nur auf Milbradt zeigen. Neben den Regierungsparteien waren Abgeordnete und Kommunalvertreter von FDP und PDS in den Kontrollgremien vertreten. Ich halte jetzt überhauptnichts von Schuldzuweisungen. Erst einmal müssen die Ursachen geklärt werden.

Freie Presse: ... während der Ministerpräsident den Schwarzen Peter an die früheren Vorstände weiterreichen will?

Kretschmer: Ein Ministerpräsident trägt die politische Verantwortung für das Land. Es kann aber nicht sein, dass er für Fehlentscheidungen in einer Landesbank eine größere Verantwortung trägt als die zuständigen Manager in Leipzig oder Dublin. Oder die Kontrollorgane der Bank, denen er selbst seit 2001 nicht mehr angehört. Finanzpolitik und Bankenpolitik sind zwei sehr unterschiedliche Dinge.

Freie Presse: Aber der sonst eher vorsichtige und sparsame Milbradt wusste um die riskanten Geldgeschäfte seiner Vorstände, oder?

Kretschmer: Jeder, der den Ministerpräsidenten kennt weiß, dass er ein sehr vorsichtiger Mensch ist Ich halte es für ausgeschlossen, dass er ein Bild von der Risikolage hatte wie die Aufsichtsräte von SPD oder PDS, die es sich heute bei der Schuldzuweisung gern so leicht machen. Zur Erinnerung: Das Geschäftsmodell der Sachsen-LB war viele Jahre lang so erfolgreich, dass die West-LB vor einem halben Jahr bereit gewesen wäre, für die Bank rund 1,5 Milliarden Euro zu bezahlen. Dann schlug die weltweite Finanzkrise zu.

Freie Presse: Und Sachsen sitzt nach dem Debakel auf einer Bürgschaftslast von 2,7 Milliarden Euro, die dem Haushalt Fesseln anlegt.

Kretschmer: Falsch. Der Haushalt wird nicht in Mitleidenschaft gezogen. Das kolportiert die Opposition gern, wird dadurch aber nicht richtiger. Die Vorsorge für das Risiko können wir aus uneingeplanten Steuermehreinnahmen leisten.

Freie Presse: Noch ist die SPD, die das ebenso behauptet, ihr Koalitionspartner.

Kretschmer: Die SPD steht unter innerem Druck. Da gibt es einige, die diese Koalition nicht wollen und ihr Mütchen kühlen möchten, ohne für sich und das Land an die Konsequenzen zu denken.

Freie Presse: Sie spielen ein Risiko von gewaltigen 2,7 Milliarden Euro herunter.

Kretschmer: Ich stelle zunächst 2,7 Milliarden Euro in Vergleich zu 43 Milliarden Euro Risiken, die unsere Landesbank gesammelt hatte. Dem Ministerpräsidenten ist in schwierigsten Verhandlungen etwas für mich Unglaubliches gelungen. Wildfremde Menschen, die nichts mit unserer Bank zu tun hatten, übernehmen jetzt dieses gewaltige Risiko. Sachsen begrenzt das Risiko und niemand weiß, ob die Bürgschaft je gezogen wird.

Freie Presse: Der politische Schaden ist erheblich, sagt auch Ihr Kanzleramtschef Thomas de Maiziere. Kommt die CDU mit Milbradraus dieser Krise heraus?

Kretschmer: Es liegt auch an unserer Partei, wie wir mit dem Problem umgehen. Wir können der PDS auf den Leim gehen und jetzt in Hektik ausbrechen. Wir können aber auch in Ruhe die eingeleiteten Untersuchungen abwarten und dann entscheiden. Mein Rat ist, aus der angeblichen Korruptionsaffäre zu lernen. Da ist fälschlicherweise zuerst geurteilt und dann aufgeklärt worden.

Freie Presse: Sehen Sie eine personelle Alternative zu Milbradt? Kretschmer: Ich sehe einen kämpferischen und starken Ministerpräsidenten, dem wir alle viel zu verdanken haben und dem heute in zum Teil ehrabschneidender Weise Unrecht getan wird.