Karl Nolle, MdL
Sächsische Zeitung, 05.01.2008
Aktenaffäre: In 30 Fällen wird ermittelt
Die sächsische Justiz hat die ersten Beschuldigten vernommen und bereits knapp 100 Zeugen befragt.
Aus Sicht der Landesregierung hat sich die sächsische Korruptionaffäre, die 2007 bundesweit für Schlagzeilen sorgte, fast erledigt. Statt der vermuteten Netzwerke aus korrupten Polizisten, Beamten und Juristen geht man nun von einer Akten-Affäre aus, weil vor allem Mitarbeiter des Verfassungsschutzes einen Papierberg an falschen Verdächtigungen gesammelt haben sollen.
Allein für die sächsische Justiz ist die Angelegenheit noch nicht abgeschlossen. Justizminister Geert Mackenroth (CDU) legte jetzt auf Anfragen des Landtagsabgeordneten Klaus Bartl (Linke) erstmals den genauen Umfang der bisherigen Ermittlungen zur Aktenaffäre.
Demnach hat die Staatsanwaltschaft Dresden allein bis Anfang Dezember des vergangenen Jahres 11 Prüfvorgänge, 18 Ermittlungsverfahren gegen bekannte Personen sowie ein Ermittlungsverfahren gegen unbekannt eingeleitet. Betroffen sind sowohl Bedienstete des Landesamtes für Verfassungsschutz, ein Mitarbeiter im Polizeibereich sowie Justizangehörige.
Die dabei überprüften Vorwürfe sind sehr vielfältig. Sie reichen von der Strafvereitelung im Amt über Bestechlichkeit, Rechtsbeugung, Aussage-Erpressung und Verfolgung von Unschuldigen bis zu Nötigung, dem sexuellen Missbrauch von Kindern und der Bildung von kriminellen Vereinigungen.
Die ersten Beschuldigten wurden laut Mackenroth bereits Anfang Juli des vergangenen Jahres über die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft informiert, die vorläufig letzten Bescheide gab es Ende November 2007. Der Minister bestätigt zudem, dass es ebenfalls Durchsuchungs- und Beschlagnahmungsmaßnahmen gab. Details will er mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen nicht nennen.
Dafür gibt es Informationen darüber, auf welche Weise die in der Affäre aufgekommenen Vorwürfe bisher überprüft worden sind. Neben den üblichen Methoden wie Aktenstudium und Behördenauskünften hat es laut Mackenroth sogar Observierungen von mehreren Personen gegeben.
Aber auch hier muss der Minister notgedrungen Details schuldig bleiben. Aus seiner Antwort geht jedoch hervor, dass acht der Beschuldigten bereits von der Justiz vernommen wurden. Hinzu kommen 95 Zeugenbefragungen. Dazu zählen auch die Befragungen von drei Journalisten. Einer von ihnen sogar mit dem Status eines Beschuldigten. Alle drei machten allerdings vom Auskunftsverweigerungsrecht oder Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch.
Und auch das ist neu: Wegen übler Nachrede und Verleumdung wurde auch ein Prüfvorgang gegen einen Abgeordneten des Landtages eingeleitet. Nach SZ-Informationen betrifft dies Klaus Bartl selbst. Und der ist ausgerechnet der Vorsitzende des parlamentarischen Untersuchungsausschusses, den der Landtag eigens wegen des Themas Aktenaffäre eingerichtet hat.
Von Gunnar Saft