Karl Nolle, MdL

Freie Presse Chemnitz, 07.01.2008

„Scheitern der Reform wäre Kapitulation der Politik"

Ministerpräsident Georg Milbradt über die Landesbank-Affäre, Verunsicherung an der Basis und seine Zugkraft als Spitzenmann der CDU – „Sachthemen gewinnen die Oberhand"
 
Dresden. Wer einen angeschlagenen Ministerpräsidenten erwartet, sieht sich getäuscht Georg Milbradt (CDU) weiß, dass er derzeit keinen ernsthaften Herausforderer hat. Selbstbewusst plant er für die Zukunft Sachsens und die Fortsetzung seiner Rolle als Nummer 1 – zumindest bis zu den Kommunalwahlen im Juni. Mit Milbradt sprach Hubert Kemper.

Freie Presse: Ihr Koalitionspartner SPD hat Sie unlängst aufgefordert, in Ruhe über Ihre Verantwortung um das Landesbank-Debakel nachzudenken. Haben Sie nachgedacht?

Georg Milbradt: Es bleibt bei unserem Fahrplan: Erst aufklären, dann über Verantwortlichkeiten sprechen. Ende Januar werden wir mehr wissen. Ich habe keine Angst vor dem Bericht, den Ernst & Young verlegen wird.

Freie Presse: Wie unabhängig kann eine Untersuchung sein, die Sie selbst in Auftrag gegeben haben?

Milbradt: Auftraggeber ist das Finanzministerium. Ernst & Young ist ein international operierendes Unternehmen, das darauf spezialisiert ist. Es fungierte nicht als Abschlussprüfer bei der Sachsen-LB. Die Fachleute gehen unbeeinflusst an die Analyse der Vorgänge.

Freie Presse: Ihr Generalsekretär Kretschmer hat von ehrabschneidendem Unrecht gesprochen, das Ihnen widerfahren sei. Glauben Sie, dass Ihnen der Bericht die verlorene Ehre zurückgeben wird?

Milbradt: Was heißt verlorene Ehre? Die Vorstellung, dass ein Ministerpräsident die Geschäfte einer Landesbank führt, ist absurd. Sie entspricht weder dem Gesetz noch der Realität. Es bleibt dabei: Vom Umfang und den Details der Geldanlagen hatte ich keine Kenntnis. Deswegen bin und bleibe ich mit mir im Reinen.

Freie Presse: Ihre Parteibasis mag das anders sehen und furchtet mit Ihnen an der Spitze schlechte Ergebnisse bei den Kommunalwahlen im Juni.

Milbradt: Zunächst konzentrieren wir alle uns auf die Verabschiedung der Verwaltungsreform. Sie ist das größte Projekt in dieser Legislaturperiode, mit dem wir stärkere Dezentralisierung öffentlicher Aufgaben erreichen und den Kreisen höhere Kompetenzen zuweisen. Das ist enorm wichtig, um die Entwicklung des Freistaates vom ländlichen Raum aus stärker beeinflussen zu können. Damit leisten wir auch einen Beitrag, um unsere demografischen Probleme lösen zu können. Die Menschen wollen stolz sein auf Sachsen und überall die gleichen Chancen vorfinden, nicht nur in Chemnitz, Dresden und Leipzig.

Freie Presse: Ein Scheitern bei der Abstimmung schließen Sie aus?

Milbradt: Das wäre gleichbedeutend mit einer Kapitulation der Politik. Viele Landkreise haben bereits ihre Strukturen auf die künftigen Verhältnisse eingestellt. Ich treffe überall auf ein hohes Maß an Zustimmung, die es in dieser Form bei vergleichbaren Veränderungen noch in keinem anderen Bundesland gab. Die Reform ist so wichtig und richtig, dass ihr eigentlich auch FDP, Grüne und die Linken im Interesse Sachsens zustimmen müssten.

Freie Presse: Bei der Reform steht Ihr Partner SPD zur Koalition. Doch sind Sie nach dem Bankdebakel beim Feilschen um Geld nicht durch die SPD erpressbar?

Milbradt: Nein, im Gegenteil. Schließlich haben wir in Bezug auf die Landesbank Zukunftsvorsorge getroffen. Denn die von uns übernommene Bürgschaft ist dazu angelegt, drohende Verluste zu vermeiden, die entstehen würden, wenn wir unter Zwang verkaufen müssten.

Freie Presse: Doch die Bürgschaft legt Ihrem Haushalt Daumenschrauben an.

Milbradt: Warum? Ich gehe davon aus, dass der schlimmste Fall nicht eintreten wird. Doch selbst wenn wir die Bürgschaft in voller Höhe einsetzen müssten, würde Sachsen bei der Pro-Kopf-Verschuldung den zweitbesten Platz in Deutschland behalten.

Freie Presse: Das klingt eher nach einem Betriebsunfall...

Milbradt: ... was einen falschen Eindruck vermitteln würde. Natürlich hat auch mich diese Situation schockiert. Aber was macht man dann? Man muss handeln. Das erwartet die Bevölkerung zu Recht Dafür wurden wir gewählt.

Freie Presse: Die Bevölkerung ist aber verunsichert, weil sie Folgen für Kommunen und Sparkassen fürchtet.

Milbradt: Falsch. Die Kommunen werden vom Freistaat sogar vorzeitig mit zusätzlichen Haushaltsmitteln ausgestattet. Und bei den Sparkassen muss man mit einem fleißig geschürten Irrglauben aufräumen. Sie sind durch den Sachsenfinanzverbund davor geschützt worden, für die Landesbank in Haftung genommen zu werden. Also genau andersherum als es politisch behauptet wird: In der alten Konstruktion hätten die Sparkassen als Miteigentümer der Sachsen-LB haften müssen. Das hat der Freistaat Kommunen und Sparkassen abgenommen.

Freie Presse: Fürchten Sie nicht, dass mit den Problemen des Vorjahres der Name Milbradt als Wahl-Lokomotive nicht mehr zieht?

Milbradt: Warten Sie ab. Inzwischen glauben ja nur noch Skandal profiteure, dass Sachsen von Korruption und Mafia unterwandert ist. Die Sachthemen werden wieder die Oberhand gewinnen. Davon bin ich überzeugt, ebenso von unseren Wahlchancen. Dazu zählt auch unser Kampf, mit Dresden unter der künftigen Führung von Helma Orosz eine der wichtigsten Städte in Deutschland durch die CDU ganz nach vorne zu bringen.

Freie Presse: Wahlanalytiker philosophieren gern über Mehrheiten ohne die Union. Für Sie denkbar?

Milbradt: Nein. Wem sollte das dienen? Sachsen sicher nicht. Oder sollte man den Freistaat den politischen Erben derer anvertrauen, die das Land heruntergewirtschaftet haben?

Freie Presse: Und ist eine CDU ohne Sie als Nummer 1 vorstellbar?

Milbradt: Das ist eine hypothetische Frage.