Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 16.01.2008

Besetzte Buche fällt für neue Elbbrücke

Polizei-Großaufgebot vertreibt Baumbesetzer
 
Dresden. 34 Tage konnten die Baumbesetzer die 200 Jahre alte Rotbuche im Dresdner Elbtal vor dem Fällen bewahren. Gegen das Großaufgebot der Polizei gestern Morgen aber waren die Aktivisten machtlos: Erst wurden sie aus dem Baum vertrieben, dann mussten sie von unten mit anschauen, wie Forstarbeiter einen Ast nach dem anderen absägten. Am Mittag sank dann auch der massige Stamm unter lauten Pfiffen und Protestrufen zu Boden. Vielen der 150 Demonstranten, die bis zuletzt ausgeharrt hatten, standen die Tränen in den Augen. „Der Baum hat zig Kriege überlebt, und die hauen ihn einfach um“, sagte ein Demonstrant kopfschüttelnd.

Schon kurz nach Mitternacht war der Kampf um den Baum eskaliert, der einer Zufahrtsstraße für die Waldschlößchenbrücke im Weg stand. Acht Baumbesetzer lieferten sich in luftiger Höhe ein Katz- und-Maus-Spiel mit der Polizei, hangelten sich in der Baumkrone von Ast zu Ast. Zwei Aktivisten hatten ihre Arme in einem Rohr an die Buche gekettet. „Das Rohr so hoch oben aufzusägen war nicht ungefährlich“, kritisierte Polizeisprecher Thomas Herbst die Aktion. Robin Wood konterte und warf den Beamten übertriebene Brutalität vor.

Am Boden versuchten die Protestierer, Drehleitern, Baufahrzeuge und Hebebühnen zu blockieren. Grelle Scheinwerfer, Polizeifahrzeuge und die Transparente der Demonstranten fügten sich in der Dunkelheit zu einer gespenstischen Szenerie, die ein Saxofonspieler zeitweise mit jazzigen Tönen untermalte.

„Schämt Euch!“ und „Mörder!“ riefen die teils 300 Menschen den Forstarbeitern zu. „Eine Schande“, murmelte ein älterer Herr empört zwischen zwei Schlucken aus der Thermoskanne. Aus großen Lautsprechern in einem Nachbarhaus erklangen Songs wie „Alt wie ein Baum möchte ich werden“ von den Puhdys und „Mein Freund der Baum ist tot“ von Alexandra.

Der Baum war seit dem 12. Dezember Nebenschauplatz des seit Jahren schwelenden Streits um die Elbbrücke. Vordergründig ging es um den Erhalt der Rotbuche, insgeheim aber prallten hier die Meinungen der Gegner und Befürworter des 160-Millionen-Euro-Projekts unversöhnlich aufeinander. Auch Literatur-Nobelpreisträger Günter Grass hatte den Baum besucht.

Mit der Rotbuche ist nun das letzte sichtbare Symbol des Widerstands gegen die Brücke gefallen, deren Bau seit dem 19. November läuft und von Protesten begleitet wird. Damit droht dem Dresdner Elbtal die Aberkennung des Unesco-Welterbetitels. Nach erfolglosen politischen und juristischen Bemühungen wollen Stadt und Freistaat die Unesco nun mit einer filigranen Konstruktion überzeugen, den Welterbetitel erhalten und den Bürgerentscheid von 2005 pro Brücke erfüllen.

Seit Montag läuft ein Bürgerbegehren für einen neuen Bürgerentscheid, bei dem über einen Tunnel als Alternative abgestimmt werden soll. Das Dresdner Verwaltungsgericht muss zudem 21 Klagen gegen die geplante Brücke verhandeln. So könnte die seltene Fledermausart Kleine Hufeisennase noch einmal zu Ehren und die Brücke ins Wanken kommen.
Simona Block und Marc Herwig, dpa