Karl Nolle, MdL

Süddeutsche Zeitung, 19.01.2008

SachsenLB: Milbradt in Erklärungsnot

Sachsens Regierungschef Milbradt gerät in der Landesbank-Affäre stärker unter Druck - nun beleuchtet der Untersuchungsausschuss Kontakte zu einem Informanten.
 
Das Finanzministerium in Dresden ist ein prächtiger Gründerzeitbau mit viel Stuck an den Fassaden und gewaltigen Dachaufbauten. Gleich daneben thront ein weiterer Prunkbau am Elbufer, der auch aus den glorreichen sächsischen Residenzzeiten stammt - die Staatskanzlei.

Zwischen den beiden Gebäudekomplexen führt eine breite, vielbefahrene Straße hindurch, und so gilt die Gegend eigentlich nicht als bevorzugtes Terrain für Spaziergänger.

Hin und wieder aber werden Beamte von Sachsens Staatsregierung auf der Straße gesichtet, die unterwegs von der einen zur anderen Behörde sind.

Wer da so alles in den vergangenen Monaten gleichsam auf dem kurzen Dienstweg per pedes die Fahrbahnen überquerte, soll nun Thema in einem Untersuchungsausschuss des sächsischen Landtages werden: Dabei geht es um die Frage, ob Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) in der Vergangenheit vielleicht doch besser über die Misere seiner Landesbank informiert war, als er bislang glauben machen will.

Land bürgt mit 2,75 Milliarden Euro

Die durch gefährliche Spekulationsgeschäfte in Finanznot geratene Sachsen LB war Mitte Dezember an die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) verkauft worden. Damit der Kauf überhaupt stattfinden konnte, musste das Land Sachsen eine Bürgschaft in Höhe von 2,75 Milliarden Euro für mögliche finanzielle Ausfälle durch die Risikogeschäfte der Bank bereitstellen - Kenner rechnen damit, dass mindestens 800 Millionen davon irgendwann tatsächlich fällig werden.

Als einstiger sächsischer Finanzminister war Milbradt einer der Gründerväter der Landesbank gewesen. Von später bekannt gewordenen Affären um Vetternwirtschaft, Intrigen und überzogenen Luxusgehältern in der Führungsetage des Geldinstituts, zu deren Klärung in 2005 eigens ein Untersuchungsausschuss des Landtages gegründet worden war, will er jedoch nie etwas Genaues gewusst haben.

Auch in der jüngsten Krise um den Notverkauf des Geldhauses, den Milbradt persönlich einfädelte, wird der Ministerpräsident nicht müde zu betonen, dass er zuvor keine besondere Sachkenntnis über die riskanten Spekulationsgeschäfte in Irland gehabt habe - schließlich sei er bereits Anfang 2001 als Finanzminister aus dem Dienst geschieden und mithin auch nicht mehr im Verwaltungsrat der Bank gewesen.

Auch den Ministerpräsidenten will man vernehmen

Mindestens mit einem seiner einstigen Mitarbeiter aber unterhielt der Politiker auch danach noch lebhafte Kommunikation, er schrieb sogar ein Buch zusammen mit dem Referenten für Landesbeteiligungen im Finanzressort, Bernd Thode - über den beispiellosen Aufbau der Landesbank, der seinerzeit "Modellcharakter für Bundesdeutschland" gehabt habe. Eben jener Beamte soll nun in den vergangenen Monaten häufiger gesehen worden sein, wie er die Straße zur Staatskanzlei überquerte.

Sprach der Ministeriale gar beim Ministerpräsidenten vor, um ihn näher über die Vorgänge in der Sachsen LB zu informieren? Mitglieder des Untersuchungsausschusses, der am Montag wieder zusammentritt, wollen das genauer wissen. Deshalb sollen in den nächsten Wochen eine Reihe von Zeugen gehört werden - auch den Ministerpräsidenten will man vernehmen, spätestens im März.

Die Frage, wann und inwieweit Milbradt von den risikoreichen Engagements mit amerikanischen Hypothekenpapieren informiert war, die der Bank letztlich das Aus brachten, könnte entscheidend sein für Milbradts politisches Überleben.

Seit den Tagen des Notverkaufs ist er nicht mehr aus der Kritik geraten. Schon kurz vor Weihnachten hatte Martin Dulig, der Fraktionschef des Koalitionspartners SPD, den Regierungschef aufgefordert, während der Feiertage in sich zu gehen und über seine politische Verantwortung für das Bankendesaster nachzudenken. Als er zurückkehrte, gab sich Milbradt in einer Serie von Interviews optimistisch: "Ich bleibe im Amt".

E-Mails unter Verschluss

Selbst unter seinen Parteifreunden verstand man die Ankündigung eher als Drohung denn als frohe Botschaft: Schon seit Wochen werden in CDU-Kreisen mögliche Nachfolger des Ministerpräsidenten diskutiert.

Viele Christdemokraten sorgen sich, dass der Regierungschef mit seiner "Jetzt-erst-Recht"-Haltung womöglich noch mehr Schaden anrichten könnte, als bislang schon entstanden ist - zu viele Hinweise gibt es, dass der engagierte Finanzpolitiker Milbradt sich auch nach seinem Abschied aus dem Finanzressort noch recht gut über die Vorgänge dort informieren ließ.

Schon seit längerem verlangt der Untersuchungsausschuss die Herausgabe der E-Mail-Korrespondenz zwischen Sachsen LB und Staatskanzlei. Bislang verweigerte die Regierungszentrale die Herausgabe mit Hinweis auf Bank- und Regierungsgeheimnisse. Doch zumindest das Bankgeheimnis, so stellte jetzt der keineswegs regierungsfeindlich eingestellte Juristische Dienst des Landtages fest, kann nicht als Grund für die Aktenverweigerung herhalten.

Wenn die Korrespondenzen vorgelegt werden müssen, könnte noch allerlei herauskommen: Bereits die Unterlagen, die der Untersuchungsausschuss bislang erhielt, deuten auf rege Kontakte zwischen verschiedenen Adressen bei Landesbank und Finanzministerium und der Spitze der Staatskanzlei. So findet sich in den Akten etwa ein vertrauliches Telefax vom Februar 2005 mit einem Gutachten zu Vorgängen in der Landesbank, das so geheim gehalten wurde, dass man die Kopien einzeln nummerierte.

An Milbradts Büro wurde die Kopie Nummer 29 gesandt - und dies zwei Wochen bevor der Verwaltungsrat der Sachsen LB, das eigentliche Kontrollgremium des Geldinstitutes, von dem Papier informiert wurde. In anderen Unterlagen taucht der Beamte Thode auf, der immer wieder neue Mails zu Landesbank-Themen an den damaligen Chef des Ministerpräsidentenbüros verfasste.

"Dann weiß er auch ganz genau, was danach geschah"

In den bislang ausgewerteten Korrespondenzen geht es zumeist um zurückliegende Skandale der Landesbank. Etwa um die Merkwürdigkeiten im Zusammenhang mit einer Tochtergesellschaft der Sachsen LB, die vor Jahren zusammen mit einem bayerischen Partner gegründet wurden war, um im Leasinggeschäft tätig zu werden.

Der bayerische Partner hatte die Sachsen LB später erfolgreich auf zehn Millionen Euro Schadensersatz verklagt. "Im Verhältnis zu den Summen, um die es heute geht, waren das nur Peanuts", sagt der sächsische Landtagsabgeordnete Karl Nolle, der für die SPD im Untersuchungsausschuss sitzt.

Wenn Milbradt sich schon darüber ständig habe informieren lassen - "dann weiß er auch ganz genau, was danach geschah", glaubt der Abgeordnete. Seit 2004 hatte es interne Warnungen vor den riskanten Irlandgeschäften in der Bank gegeben.

Für diesen Montag wird der einstige Repräsentant der Dubliner Vertretung der Sachsen LB im Untersuchungsausschuss zur Vernehmung erwartet - was er zu sagen hat, könnte interessant werden.
Von Christiane Kohl