Karl Nolle, MdL
Frankfurter Rundschau, 22.01.2008
Milbradt : Totgesagte kleben länger
Dresden. Wenn es bedrohlich wird für Georg Milbradt, greift er zu ungewöhnlichen Waffen: Er zieht seine Spendierhose an, wird freundlich und lässt Bild-Reporter Einblick in sein Privatleben nehmen. Sachsens CDU-Ministerpräsident, bekannt für seine ruppige und sturköpfige Art, hat das neue Jahr mit einer Charme-Offensive begonnen: Plötzlich tut der Mann Dinge, die undenkbar erschienen.
Er verkündet Lehrstellen für alle, hat sogar Geld für Fußball-Fanprojekte. Jahrelang hatten Experten um Geld gebettelt, um etwas gegen die Gewalt bei Fußballspielen zu unternehmen. Keinen Cent rückte die Regierung raus, jetzt fließt Geld in Strömen. Noch ungewöhnlicher: Milbradt ging mit Frau Angelika in Leipzig einkaufen, ein Bild-Reporter war dabei und berichtete ausführlich.
Dies hat viel mit seinem neuen Staatskanzleichef Michael Sagurna zu tun: Der diente schon Kurt Biedenkopf als Regierungssprecher und gilt als fähiger Kommunikationsstratege. Jetzt menschelt es, dass sich die Balken biegen. Sagurna erfindet jede Woche einen "neuen netten Georg", wie in Regierungskreisen gewitzelt wird.
Kampf ums politische Überleben
Milbradt kämpft in Sachsen um sein politisches Überleben. "Die Partei will ihn nicht, in der Fraktion herrscht Eiseskälte", beschreibt es ein Dresdner Christdemokrat. "Der Mann ist am Ende", heißt es in Regierungskreisen. "Nur traut sich keiner, ihn vom Thron zu schubsen."
Das Jahr 2007 war vermutlich das furchtbarste in Milbradts dreijähriger Amtszeit. Eine angebliche Korruptions-Affäre und ein dilettantischer Innenminister lähmten über Monate die Politik. Dann ging Milbradts Kind, die Landesbank, an US-Immobiliengeschäften zugrunde. Sie musste über Nacht an die baden-württembergische Landesbank verramscht werden. Das Musterland-Ost musste eine 2,75 Milliarden Euro schwere Bürgschaft übernehmen.
Kommunalwahl als Test
Das sei das Ende für Milbradt, waren sich Unionspolitiker sicher. Aber Totgesagte kleben länger. Milbradt denkt nicht daran, seinen Sessel zu räumen. Bis Ende Februar werde sich gar nichts rühren, heißt es in Dresden. Die Berliner CDU-Zentrale habe um Ruhe gebeten, in Niedersachsen, Hessen und Hamburg wird gewählt. Im Juni ist Kommunalwahl in Sachsen. Sollte die Union da einbrechen, wäre das eine Gelegenheit, gegen Milbradt vorzugehen.
Eine Revolte im Konjunktiv. Kürzlich gab es ein vertrauliches Krisengespräch zwischen Milbradt und Fraktionschef Fritz Hähle, von dem etliche in der CDU erwarten, er werde den Wandel organisieren. Der alte Hähle selbst hat keine Ambitionen. Aber aus der Garde möglicher Nachfolger traut sich niemand. "Ein Haufen Feiglinge", sagt ein CDU-Mann. Milbradts letzte Stärke ist die Mutlosigkeit seiner Partei.
So warten alle auf nächste Pannen Milbradts, die sich doch noch zum Sturm auswachsen könnten. Im Februar kommt der Bericht der Wirtschaftsprüfer zur gescheiterten Landesbank, Ende März befasst sich ein Untersuchungsausschuss mit dem Debakel - genug Termine für fortgesetzten Ärger.
Milbradt will durchhalten. Er würde sogar 2009 noch einmal zur Wahl antreten. Im Herbst soll ein CDU-Parteitag darüber entscheiden. Die mögliche Nominierung dürfte zur Tortur werden. Es wird heimlich abgestimmt.
von Bernhard Honnigfort