Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 25.01.2008

Versteinerte Mienen

SPD sorgt mit Vorwürfen gegenüber Milbradt für Empörung / Rufe nach Nolles Parteiausschluss
 
Dresden. Wenn im Landtag Redner ans Rednerpult gehen, ist das meist wenig spektakulär. Wenn ein geplanter Redebeitrag aber ausfällt, ist das Aufhorchen groß. So war es gestern beim Streitthema Landesbank. Hier sollte für die SPD kein anderer als Mario Pecher reden, der Finanzexperte der Fraktion. Doch es kam anders: Kurzfristig sprang Enrico Bräunig ein, Pecher war draußen – durch eine Art Redeverbot, verordnet von oben.

Das lag an dessen Einsatz am Mittwochabend im Plenum. Gerade hatte die Kreisreform die definitiv letzte Hürde genommen, da ging Pecher ans Mikro und gab eine Erklärung zum Besten. Deren Inhalt aber war ein Eklat. Da war von „Versuchung“ die Rede, die Kreisreform scheitern zu lassen – wegen des Desasters um die Landesbank. Das sei eine „Riesensauerei“, meinte Pecher, die „politische Verantwortlichkeit“ müsse eingeklagt werden. Spätestens hier war klar, wem die Attacke des SPD-Manns galt: Keinem anderen als Regierungschef Georg Milbradt (CDU) persönlich. Und dann kam der Satz, der jetzt die Gemüter erregt: „Es ist nicht vermittelbar, dass man die Kleinen mit der geballten Staatsmacht jagt und derjenige, der hunderte Millionen veruntreut hat, seine Hände in Unschuld wäscht.“

Zwar hatten auch die SPD-Abgeordneten Karl Nolle und Stefan Brangs zuvor Kritik an Milbradt geübt, Pecher aber ging einen Schritt weiter: Er warf dem Ministerpräsidenten Untreue vor – ein Straftatbestand. Das sorgte gestern für erhebliche Wirren. Milbradt und Fraktionsgeschäftsführer Erhard Weimann liefen mit versteinerter Miene die Gänge entlang, Staatskanzleiminister Michael Sagurna (CDU) war hellauf entsetzt. Und nicht zuletzt war CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer zur Stelle und sagte, es gebe „in der SPD eine ganze Reihe von Leuten, die die Koalition mit der CDU hassen“. Dahinter stehe ein „unglaubliches Maß an Destruktion“. Und alle zusammen forderten eine Klarstellung von der Spitze der SPD.

Die kam dann auch gegen 14 Uhr. Pechers Erklärung sei „eine Diffamierung“, sagte SPD-Fraktionschef Martin Dulig gequält, „die Art und Weise kann ich nicht tolerieren“. Zwar müsse beim Thema Landesbank konsequent aufgeklärt werden, Pecher allerdings habe „die Grenze überschritten“. Andere in der SPD wählten eine andere Tonlage. Während Nolle auf dem Recht zur Kritik an Milbradt beharrte („es ist doch skurril, nach dem Landesbank-Desaster zur Tagesordnung überzugehen“), erteilte Landtags-Vizepräsident Gunther Hatzsch (SPD) seinem „Parteifreund“ Pecher nachträglich einen Ordnungsruf. „Ich bin entsetzt“, sagte Hatzsch anschließend dieser Zeitung, „bei Nolle bin ich es gewöhnt, bei Pecher aber bin ich äußerst erstaunt“. Gleichzeitig forderte er indirekt Konsequenzen für Nolle. „Einem Parteiausschluss würde ich mich nicht verschließen.“

Während sich die Koalitionäre bis in den Nachmittag hinein in den Haaren lagen, war die SachsenLB weiter Thema im Landtag. So beschlossen die Abgeordneten auf Initiative von Linken und Grünen nahezu einstimmig, dass der U-Ausschuss sich künftig auch mit dem Notverkauf des Geldinstituts befassen soll. Damit steht einer Vernehmung zweier prominenter CDU-Politiker nichts mehr im Weg. Am 21. Februar soll Kanzleramtsminister Thomas de Maizière angehört werden, Ende März ist Milbradt an der Reihe. Letzterer war bis zum Januar 2001 Finanzminister in Sachsen, de Maizière war bis zum Frühjahr 2002 dessen Nachfolger. Qua Amt waren beide Verwaltungsratschefs der SachsenLB
Von JÜRGEN KOCHINKE