Karl Nolle, MdL
DNN/LVZ, Seite 1, 28.01.2008
Bürgerentscheid – Niederlage für Jung
Leipziger lehnen Veräußerung von Stadtwerke-Anteilen und anderer Firmen ab
Leipzig (M. O.). Die Stadt Leipzig darf die Stadtwerke und andere große Firmen nicht verkaufen. Das ist das Ergebnis des ersten Bürgerentscheids in der Geschichte der Messestadt. 148 767 Menschen stimmten laut vorläufigem Ergebnis gegen den Verkauf. Das sind etwa 87 Prozent. Um die Veräußerung zu stoppen, wären rund 104 000 Stimmen notwendig gewesen. Dabei lag die Wahlbeteiligung bei 41 Prozent und ist damit höher als bei der Oberbürgermeisterwahl 2006.
Mehr als 416 000 Leipziger waren zum Votum darüber aufgerufen, ob wichtige kommunale Firmen wie die Stadtwerke auch weiter hundertprozentig im städtischen Besitz bleiben sollen oder nicht. Initiator des Bürgerentscheids ist die Bürgerinitiative „Stoppt den Ausverkauf unserer Stadt“, die im Herbst 2007 mit der Sammlung von rund 42 000 Unterschriften den Entscheid erzwungen hat. Mike Nagler, einer der Initiatoren, freute sich: „Die Bürger haben mit dem Ergebnis gezeigt, dass sie ihre Mitsprache in der Stadtpolitik erfolgreich einfordern können.“
Mit dem Ergebnis des Bürgerentscheids musste Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) eine herbe Niederlage hinnehmen. Er hatte den Verkauf der Stadtwerke-Anteile an den französischen Konzern Gaz de France favorisiert. Die Franzosen hatten 520 Millionen Euro geboten. Der Haushalt für dieses Jahr könne nun nicht verabschiedet werden, kündigte Jung gestern Abend an. Alle Ausgaben der Stadt gehörten auf den Prüfstand. „Wir werden jetzt sehr heftig rudern müssen“, fügte er hinzu. Geplant war, mit dem Erlös die Schulden der Stadt zu reduzieren und einen Teil für Investitionen in Schulen, Kindergärten und Straßen zu verwenden. Eine Mehrheit im Stadtrat hatte Jung dabei allerdings nicht. Nach dem jetzigen Ergebnis „wird Privatisierung in Leipzig in den kommenden Jahren keine Rolle spielen“, sagte der SPD-Politiker. „Ich setze daher künftig auf die weitere Stärkung der kommunalen Familie.“