Karl Nolle, MdL
LVZ Leipziger Volkszeitung, Lokales, 28.01.2008
Ohrfeige für Jung
Kommentar von Kai-Uwe Brandt
Leipzig hat gewählt, und die Leipziger haben entschieden. Die Stadtwerke bleiben in kommunaler Hand. Jetzt und die nächsten drei Jahre lang. Und mit den Stadtwerken alle Unternehmen, die der Daseinsfürsorge dienen – darunter die Wasserwerke, die Verkehrsbetriebe, das Klinikum St. Georg sowie der Schuldengigant Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft. Eben das bezweckte die Bürgerinitiative „Stoppt den Ausverkauf unser Stadt“ von Beginn an und ließ daran selbst bei der Frage auf dem Stimmzettel nie Zweifel aufkommen.
Gleichwohl drehten sich die Debatten im Vorfeld des Urnengangs einzig und allein um den Leipziger Energieversorger. Dem Für und Wider des Gaz-de-France-Angebotes, den möglichen Fallstricken innerhalb des Vertrages, welche Etatlöcher die Kaufsumme von 520 Millionen Euro stopfen soll und was die Stadtratsfraktionen aller Couleur von Privatisierung im Allgemeinen und im Besonderen halten. Beeinflussen konnte das ganze Tohuwabohu die Mehrheit nicht. Wohl aber darin bestärken, nun doch mit Ja zu votieren.
Damit dürfte das Wahlergebnis zuallererst eine Generalkritik an der Kommunalpolitik samt des sozialdemokratischen Oberbürgermeisters Burkhard Jung sein. Denn gerade Jung hat es nicht verstanden, die Menschen für seine Sache zu gewinnen. Genauso wenig wie er es verstand, noch vor der Unterschriftensammlung der Bürgerinitiative die CDU ins Boot zu holen, um gemeinsam mit der SPD den Stadtwerke-Teilverkauf zunächst einmal in ruhiges parlamentarisches Fahrwasser zu bringen.
Vielleicht kann sich Jung nach dem gestrigen Debakel derer erwehren, die verlangen, er solle seinen Hut nehmen, weil mehr Leipziger gegen den Verkauf sind, als ihn am 26. Februar 2006 wählten. Schwerer wird es allerdings, jene zu überzeugen, die ihm klipp und klar Führungsqualität absprechen, da er für sein ureigenstes Wahlziel die Bürger weder gewinnen, geschweige denn davon überzeugen konnte.
Die Zeichen stehen also auf Sturm. Nicht allein für Jung, sondern zugleich für den Großteil der Volksvertreter. Ihnen bescheinigt das Votum, an falscher Stelle das Ohr an die Massen gelegt zu haben. Sonst nämlich hätten sie frühzeitig hören müssen, wie Leipzig tickt. Wer jedoch auf die plebiszitäre Ohrfeige wartete, wurde frühestens 19 Uhr mit einem Donnerhall geweckt.
Manchmal ist es besser, auf den Wähler zu hören als sich der Parteidisziplin zu unterwerfen. Schließlich war der Bürgerentscheid eines nie: eine Wahl zum Oberbürgermeister. Es ging nicht um Gesichter und Programme. Es ging um die Stadtwerke Leipzig. Weshalb sogar Argumente, die eine Privatisierung aus wirtschaftlicher Sicht begrüßten, in der emotionalen Gemengelage auf Nimmerwiedersehen versackten.
Hieran tragen die Verkaufsbefürworter Schuld. Anstatt den emotionalen Brandherd von vornherein einzudämmen, kippten sie noch Öl ins Feuer und sollten sich daher nicht wundern, wenn der Leipziger zum Löschschlauch greift.
k.brandt@lvz.de