Karl Nolle, MdL
DNN/LVZ, 31.01.2008
Bartls neue Töne
Aktenaffäre: Ausschuss-Chef rudert zurück / CDU-Fraktionsvize Henke: Er soll an Rückzug denken
Dresden. Vornehme Zurückhaltung ist nicht gerade die Sache von Klaus Bartl. Immer wieder hat sich der Chemnitzer Linke in der Aktenaffäre mit scharfen Attacken gegen die Staatsregierung zu profilieren versucht – und auf die Verstrickung von Polizei, Justiz und Politik in kriminelle Netzwerke verwiesen. Umso beachtlicher ist jetzt die Wende, die der Chef des U-Ausschusses im Landtag in einem Interview zu Protokoll gegeben hat.
„Vor Emotionalität und vorschnellen Bewertungen ist ein Politiker nicht gefeit“, lautet einer der Kernsätze von Bartls neuer Lesart, „ich hätte distanzierter an die Bewertung gehen sollen“. Im Klartext: Er wolle nicht mehr ausschließen, dass sich die Korruptionsaffäre reduziert – und zur reinen Aktenaffäre des Verfassungsschutzes wird.
Diese frische Erkenntnis des gelernten Juristen sorgte gestern für erheblichen Wirbel in Dresden. Mit Genugtuung nahm der CDU-Obmann im U-Ausschuss, Christian Piwarz, Bartls Selbstwahrnehmung zur Kenntnis – schließlich hatten sich die beiden Politiker im Gremium monatelang heftig beharkt. Tenor: „Wir haben Bartl immer dafür kritisiert, dass er seine Rechte als Ausschuss-Chef überzieht.“ Jetzt gehe der Linke „weg von der Skandalisierung und räumt den Weg frei“, so Piwarz. Das sei ein positives Zeichen für einen neuen Stil.
Weniger gnädig geht allerdings CDU-Fraktionsvize Rita Henke mit dem Linken um. „Obwohl er als Ausschusschef zur Neutralität verpflichtet ist, hat Herr Bartl Vorverurteilungen zugelassen.“ Das sei inakzeptabel, sagte Henke und schob eine indirekte Rücktrittsforderung nach: „Er sollte über einen Rückzug nachdenken.“
So weit geht die Opposition nicht. Johannes Lichdi von den Grünen begrüßte gestern Bartls neue Töne, legte aber kritisch nach: Der Linke müsse sich „den Vorwurf gefallen lassen, dem berechtigten Anliegen der Aufklärung geschadet zu haben, indem er die Faktenlage überdreht hat“. Gleichzeitig warnte Lichdi – wie auch sein FDP-Kollege Jürgen Martens – davor, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Die Fehler im Innenministerium bei der Fachaufsicht müssten aufgeklärt werden, meinten beide unisono. Die CDU solle „sich an Bartl ein gutes Beispiel nehmen und ihrerseits die Blockade des U-Ausschusses beenden“, sagte Lichdi.
Eben darauf legt auch Bartl einigen Wert. Welche Substanz die vom Verfassungsschutz gesammelten Hinweise hätten, könne erst beurteilt werden, wenn die Akten dem U-Ausschuss übergeben werden, interpretierte er in einer Erklärung seine Aussagen. „Dass jedoch alles erschwindelt war, hat sich bisher auch nicht bestätigt.“
Von JÜRGEN KOCHINKE