Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, Seite 4, 02.02.2008

"Eine Menge Gegrummel“

Staatskanzleichef Michael Sagurna über die ersten Monate im Amt, über Sachsen LB und Aktenaffäre
 
Leipzig. Aktenaffäre, Landesbank, Krach in der Koalition – seit seinem Amtsantritt im Herbst hat der neue Chef der Staatskanzlei, Michael Sagurna (CDU), viel zu tun. Erstmals nimmt der Minister per Interview Stellung zu seinem Job, zu Problemfeldern im Bündnis und den Aufgaben der Union.

Frage: Das Klima in der CDU/SPD-Koalition in Sachsen war in den vergangenen Wochen alles andere als gut. Die größten Gegner von Regierungschef Georg Milbradt (CDU), so scheint es, sitzen in der SPD. Wie lange kann so etwas gut gehen?

Michael Sagurna: Die Arbeit der Koalition hat zwei Seiten: Auf der einen herrscht ein gutes Klima, es gibt Einvernehmen im Regieren zwischen CDU und SPD. Wir haben Etliches zu Wege gebracht – vom Kulturraum- und Hochschulgesetz bis hin zu einer kleinen Rechtsnovelle bei der Polizei. Der Koalitionsalltag ist viel entspannter, als es scheint. Anders ist es nur beim Thema Landesbank, und da kann ich nur sagen: Die SPD hat hier offensichtlich ein inneres Problem, auch mit der einen oder anderen ihrer Persönlichkeiten.

Es ist aber nicht nur SPD-Mann Karl Nolle, der den Regierungschef kritisiert. Auch die CDU tut sich schwer mit der Tatsache, dass sie die absolute Mehrheit verloren hat ...

Meine Arbeit besteht darin, dass sich auf beiden Seiten eine einfache Einsicht durchsetzt: Man muss sich in einer Koalition gegenseitig etwas Raum lassen, sonst wird das Ganze nur als Streit wahrgenommen. Darunter leiden dann beide Seiten, und für Sachsen ist es auch nicht gut. Bei Herrn Nolle aber ist klar erkennbar, dass es ihm um die Person des Ministerpräsidenten geht, vielleicht sogar um die Koalition als solche. Ein politisches Bündnis aber kommt ohne Kompromisse nicht aus, und dabei ist es üblich, dass man nicht das Spitzenpersonal des Partners bestimmt. Herr Nolle ist offensichtlich nicht bereit, diesen Grundsatz zu beachten.

Auch Herr Milbradt lässt schon mal die Muskeln spielen. Erst vor Tagen war er kurz davor, die Koalition platzen zu lassen. Hält das bis 2009?

Ich glaube schon, dass das geht, nur muss sich bei wenigen der Stil ändern.

Die Unzufriedenheit Anfang Januar war groß, wegen der Kreisreform, aber auch wegen der SachsenLB. Hat sich die Lage beruhigt?

Es hat eine Menge Gegrummel gegeben, keine Frage, es war eine harte Zeit. Wenn der Regierungschef und der Finanzminister nächtelang verhandeln, und es geht um den finanziellen Spielraum des Landes überhaupt, dann bleibt das nicht ohne Folgen. Mein Job ist es, dafür zu sorgen, dass der Zusammenhalt wieder größer werden kann – auch in den eigenen Reihen. Geschlossenheit erreicht man immer, wenn man gut arbeitet und wenn die eigenen Leute spüren, dass man gemeinsam erfolgreich ist.

Bei der Kreisreform allerdings drohen Klagen ...

Für Sachsen insgesamt ist die Entscheidung gefallen. Lediglich in drei Regionen gibt es noch Bestrebungen, dass sich etwas ändert.

Beim Notverkauf der Landesbank musste Sachsen eine 2,75-Milliarden-Bürgschaft übernehmen. Ist davon schon ein Teil eingelöst worden – oder erwarten Sie das große Glück, dass davon nichts gezogen wird?

Dass davon nichts gezogen wird, halte ich für ausgeschlossen. Es war klar, dass in den nächsten Jahren immer mal wieder etwas fällig wird. Sonst bräuchten wir die Bürgschaft nicht. Wir gehen aber davon aus, dass der Gesamtrahmen nicht annähernd erreicht wird.

Ein hoher dreistelliger Millionen-Betrag also?

Das, was wir zurückgestellt haben, liegt in dieser Größenordnung, etwa 800 Millionen Euro. Und wenn wir das zurückstellen, heißt das auch, dass man damit rechnen kann, dass diese Summe über die nächsten fünf, sechs Jahre fällig werden könnte – es kann allerdings auch deutlich weniger sein.

Ist damit das finanzielle Gleichgewicht Sachsens in Gefahr?

Die Vorkehrungen sind ja bereits getroffen, ohne dass wir uns bei den politischen Aufgaben einschränken müssten. Man kann also jetzt schon sagen, dass die sächsische Politik nicht aus finanziellen Gründen beeinträchtigt werden wird.

Die Opposition fragt nach der politischen Verantwortung von Herrn Milbradt. Wie groß ist diese?

Wenn man sich die Argumente dafür ansieht, geht es stets nur um drei Punkte: Der Regierungschef ist ein Finanzfachmann; er ist jemand, der die Bank mitgegründet hat; und er hat sich in einer ganz anderen Frage, die die Bank betraf, einmal sehr intensiv unterrichtet. Das sind die drei generellen Aussagen. Und ich kann dazu nur sagen: Wenn das alles ist – woran lässt sich dann ein echter Vorwurf festmachen?

Dass etwas schief gelaufen ist, lässt sich aber wohl kaum leugnen.

Ohne Zweifel. Dass sich eine Bank wie eine Ameise verhalten hat, dass sie gedacht hat, sie könnte das Vielfache ihres eigenen Körpergewichts tragen, das geht ganz klar auf irgendwelche Entscheidungen zurück, in der Bank, in den Gremien. Irgendjemand hat dort den falschen Schalter umgelegt. Dem gehen wir genau nach und fragen: Wer hat wann wo was richtig oder falsch entschieden – und wer hat etwas davon gewusst oder hätte es wissen müssen? Denn wenn so etwas Ungewöhnliches geschieht wie mit der Landesbank, dann muss irgendwer an irgendeiner Stelle eine wirtschaftliche Fehlentscheidung getroffen haben – oder mehrere.

In der Aktenaffäre gibt es eine beachtliche Wende. Klaus Bartl, der U-Ausschusschef von den Linken, ist der Meinung, er habe am Anfang der Affäre überzogen. Können Sie damit leben?

Ich fand das in Ordnung. In der Politik kommt es manchmal vor, dass jemand zurückrudern muss, und den sollte man dann als politischen Gegner nicht mit Häme überschütten.

Macht der U-Ausschuss noch Sinn?

Das müsste man Herrn Bartl fragen, denn es bleibt ja nicht mehr viel übrig. Die politische Brisanz ist längst raus.

Was in jedem Fall bleibt, ist eine dicke Aktenaffäre. Hat der Sicherheitsbereich versagt?

Es hat niemand behauptet, dass wir den Verfassungsschutz für das, was er dort zusammengetragen hat, auch noch loben wollen. Wenn so etwas passiert und dann einen solchen Selbstlauf bekommt, dann ist ganz klar irgendwo etwas schief gelaufen. Es gab Fehler in der Organisationsstruktur, die jetzt behoben werden. Generell aber sollten wir alle etwas vorsichtiger mit so großen, skandalträchtigen Vorwürfen umgehen. So wie die Erfahrung zeigt, dass meistens etwas dran ist, so zeigt sich aber auch, dass meistens nicht so viel dran ist, wie man am Anfang denkt.

Es gibt aber auch einen Innenminister, der schon Racheakte der Mafia be-schworen hat ...

Derselbe Innenminister hat seine Einkehr etliche Monate vor Herrn Bartl gehalten. Das Besondere an diesem Fall war doch, dass die Berichte in den Akten ganz offenbar so anschaulich waren, dass jeder, der sie las, erstmal die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen hat. Und erst danach kam sozusagen der kluge Gedanke mit der Frage: Ist das schlüssig, kann das überhaupt stimmen?

Interview: Bernd Hilder, Jürgen Kochinke