Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 08.02.2008

Punktsieg an der Basis

Tillich beim politischen Aschermittwoch in Bautzen
 
Bautzen. Es war eine Art Bewährungsprobe für den neuen Star der Sachsen-CDU: Seit Herbst ist Stanislaw Tillich (CDU) Finanzminister im Freistaat und hat kein leichtes Amt. Jetzt zog es ihn, den vielbeschäftigten Manager der Landesbank-Krise, zu einem Traditionstermin ins Ostsächsische. Auf dem Programm stand der politische Aschermittwoch in Bautzen, seit Jahren einer der größten Treffs der Union im Freistaat. Und wie meistens, so war es auch jetzt. Die Mehrzweckhalle Am Schützenplatz war gut gefüllt, für zusätzliche Aufmerksamkeit sorgte das heimliche Thema des Abends: Erstmals präsentierte sich Tillich der Parteibasis in seiner neuen Rolle – als potenzieller Kronprinz von Regierungschef Georg Milbradt (CDU).

Was der smarte Sorbe dann zwischen Blaskapelle und Brötchen mit Fisch zu bieten hatte, war ein Ritt quer durch die Politik, gewürzt mit ein paar Ausflügen in die Ironie. Nicht zuletzt die politische Konkurrenz nahm Tillich gezielt aufs Korn. Ob gegenüber Linken, Grünen oder FDP, nirgendwo sparte der Minister mit Kritik. Und sogar der Koalitionspartner SPD kam – Stichwort „Spezialdemokraten“ – wenig gut weg. Kostprobe Tillich Richtung PDS-Nachfolger: „Wenn man Herrn Hahn krähen hört“, so die Attacke auf den linken Frontmann André Hahn, „glaubt man den Schwarzen Kanal von Karl-Eduard von Schnitzler wieder zu erkennen“. Und an die Adresse der sächsischen Liberalen meinte er: Die „fröhlichen Demokraten“ von FDP-Landeschef Holger Zastrow seien wenig ernsthaft und nur in Eigenwerbung gut aufgestellt. Wer das mit Politik verwechsle, so die Pointe, „muss blind sein“.

Und so ging es weiter. Erst kamen die Grünen („Lendenschurzträger“) an die Reihe, dann war es die SPD. Diese setze wie die Linken auf „immer mehr Sozialstaat“, lautete die Kritik, vor allem aber habe sie einen „heimlichen Vorsitzenden“: Ex-SPD-Mann Oskar Lafontaine, „der beinahe mehr Einfluss hat als früher“. Damit hatte Tillich die rund 500 Gäste in der Halle bereits auf seiner Seite. Und kaum noch einer nahm ihm übel, dass er staksig startete und sich erst später warm zu reden begann.

Dabei war es schon im ersten Teil ein typischer Tillich-Auftritt. Im Gegensatz zum spröden Milbradt bietet der Sorbe das, was viele in der Union derzeit vermissen: Hier und da teilt er ein wenig aus, bindet gleichzeitig die eigenen Truppen ein und macht – vor allem – nichts falsch. „Der Typ ist ausbaufähig“, meinte eine CDU-Frau hinterher, „auch wenn ihm eine emotionale Infusion gut getan hätte“. Und Bautzens Oberbürgermeister Christian Schramm, immerhin CDU-Mitglied und Präsident beim Städte- und Gemeindetag, sagte schlicht: „Ich hab’ schon weitaus schlechtere Reden gehört.“

Das betraf auch jenen Teil, bei dem Tillich ernst wurde. „Zugegeben“, sagte er und meinte den Notverkauf der SachsenLB, „die Arbeit macht mir Spaß, nicht nur, aber überwiegend“. Er stehe für Offenheit und Klarheit beim Umgang mit der Krise, und sollte es Finanzausfälle geben, werde er – natürlich – die Öffentlichkeit informieren. Was aber nicht akzeptabel sei, sei die Rolle von SPD und FDP. Diese säßen in den Aufsichtsgremien der Bank, suchten aber nun die Schuld bei der Union. „So“, ging Tillich in die Offensive, „lassen wir sie nicht davon kommen.“

Auch da war er wieder ganz der CDU-Politiker, der weiß, dass er als Kronprinz unter Beobachtung steht. Am Ende gab es viel Applaus und Blumen, die 500 im Saal intonierten brav das Oberlausitzlied, und auch Gastgeber Marko Schiemann, der CDU-Abgeordnete aus Bautzen, war zufrieden. Schließlich ist es beim Politischen Aschermittwoch im Ostsächsischen üblich, dass alle den Saal verlassen, sobald der letzte Ton gesungen ist. Dieses Mal allerdings war es anders. Einige Dutzend Würdenträger wie Gäste blieben einfach stehen – was Tillich durchaus als Erfolg für sich verbuchen kann.
von JÜRGEN KOCHINKE