Karl Nolle, MdL

Agenturen ddp-lsc, 19:00 Uhr, 16.02.2008

Dresdner wehren sich - Tausende demonstrieren gegen Nazi-Aufzug zum 13. Februar

Mehr als 3800 Rechtsextreme marschieren durch Zentrum
 
Dresden(ddp-lsc). Mehrere Tausend Dresdner haben am Samstag unter dem Motto «Geh Denken» gegen Rechtsextremismus protestiert. An einem Neonazi-Aufmarsch nahmen nach Polizeiangaben etwa 3800 Anhänger der Gruppierung «Junge Landsmannschaft Ostdeutschland» (JLO) teil. Damit handelte es sich um einen der größten Aufzüge Rechtsextremer in der Geschichte der Bundesrepublik.

Die Polizei, die mit einem Großaufgebot im Einsatz war, meldete bis zum Abend einen weitgehend störungsfreien Verlauf der Veranstaltungen. Nach ihren Angaben weilten mindestens 200 gewaltbereite Linksautonome in der Stadt. Es gab 23 vorläufige Festnahmen, unter anderem wegen Verstößen gegen das Vermummungsgebot und Mitnahme von Pfefferspray. Zudem wurde ein mit Haftbefehl gesuchter Mann festgenommen.

Friedlich blieb der Demonstrationszug des Bündnisses «Dresden für Demokratie», das von Gewerkschaften, Kirchen, Vereinen und Parteien getragen wird. Während die Polizei eine Zahl von 2000 Teilnehmern nannte, sprachen die Veranstalter von 6000. Dazu zählten unter anderem SPD-Landtagsfraktionschef Martin Dulig, Sachsens Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange (SPD) sowie mehrere Landtagsabgeordnete und Kommunalpolitiker von Linken und Grünen. Viele Teilnehmer trugen weiße Rosen am Revers als Symbol für die Überwindung von Krieg, Rassismus und Gewalt und als Zeichen gegen Fremdenhass. Die Aktion «Weiße Rose» war erstmals 2005 anlässlich des 60. Jahrestages der Zerstörung Dresdens initiiert worden.

Vor der Synagoge kam es bei einer Zwischenkundgebung des Demonstrationszuges zum kurzzeitigen Zusammenschluss mit einem Aufzug von rund 700 Linksautonomen. Dieses ungeplante Aufeinandertreffen verlief störungsfrei. Vielmehr sprach die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde von Dresden, Nora Goldenbogen, unter dem Beifall beider Demonstrationslager von einer Selbstverpflichtung der Zivilgesellschaft «dazu, dass Nazis in Dresden nicht mehr marschieren können».

Es sei möglich zu erreichen, dass in Dresden «nicht mehr der letzte bundesweit große Neonazi-Aufmarsch stattfinden kann». Zugleich bedankte sich Goldenbogen im Namen der Jüdischen Gemeinde bei allen Demonstranten dafür, dass der rechtsextreme Aufzug nicht wie ursprünglich geplant an der Synagoge vorbeigeführt habe.

Tatsächlich wurde die Route des JLO-Aufmarsches kurzfristig verändert, ohne dass die Polizei zunächst Gründe dafür angab. Da Sachsen derzeit ein neues Versammlungsgesetz plant, in dem die Synagoge als einer der an allen Tagen schützenswerten «Erinnerungsorte» im Freistaat aufgeführt wird, gilt es als sicher, dass ab dem nächsten Jahr kein rechtsextremer Aufzug mehr in ihrer Nähe gestattet werden wird.

Seit Jahren führt die rechtsextreme Szene zum Jahrestag der alliierten Bombenangriffe auf Dresden im Februar 1945 sogenannte Trauermärsche durch. Zum 60. Jahrestag dieser Angriffe im Jahr 2005 hatte die rechtsextreme Szene 5000 Teilnehmer mobilisiert. 2007 waren 1800 Rechtsextreme gezählt worden, damals hatte der Aufzug indes an einem Wochentag stattgefunden.

Bei den Bombenangriffen auf Dresden 1945 sollen etwa 25 000 Menschen ums Leben gekommen sein. Durch insgesamt vier Luftangriffe wurde das Stadtzentrum innerhalb von drei Tagen fast vollständig zerstört. Die Zerstörung Dresdens wurde zu einem weltweit bekannten Symbol für militärische Gewalt gegen die Zivilbevölkerung.

ddp/tmo/iha
161900 Feb 08