Karl Nolle, MdL
Agenturen ddp-lsc, 12:44 Uhr, 20.02.2008
De Maizière soll im Sachsen-LB-Untersuchungsausschuss Milbradts Rolle benennen
Rückkehr auf vertrautes Terrain ...
Dresden (ddp-lsc). Für Thomas de Maizière (CDU) ist der Auftritt im Sachsen-LB-Untersuchungsausschuss am Donnerstag (14.00 Uhr) im Dresdner Landtag eine Rückkehr auf vertrautes Terrain. Bevor er im November 2005 Chef des Kanzleramts in Berlin wurde, gehörte er sechs Jahre lang der sächsischen Staatsregierung an. Der heute 54-Jährige war zunächst 15 Monate lang Staatskanzleichef, danach genauso lange Finanzminister, schließlich für zweieinhalb Jahre Justizminister und am Ende ein Jahr Innenminister.
Alle direkten Amtsnachfolger de Maizières gerieten über kurz oder lang wegen diverser Affären unter erheblichen politischen Druck. Finanzminister Horst Metz (CDU) reichte im September 2007 wegen der Sachsen-LB-Krise seinen Rücktritt ein. Justizminister Geert Mackenroth und Innenminister Albrecht Buttolo (beide CDU) haben bis heute mit den Ausläufern einer «Sachsen-Sumpf» genannten Affäre zu tun. Diese geht auf eine zu de Maizières Zeiten als Innenminister angelegte zweifelhafte Datensammlung des Verfassungsschutzes zurück, die bis in das Leipziger Rotlichtmilieu reichende Vorwürfe gegen hochrangige Vertreter der sächsischen Justiz enthalten soll.
Als noch brisanter freilich gilt im Freistaat die Krise um die Sachsen LB, die nach riskanten Spekulationsgeschäften ihrer Dubliner Tochter Sachsen LB Europe 2007 in finanzielle Schieflage geriet und schließlich an die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) verkauft wurde. Sachsen haftet mit insgesamt 2,75 Milliarden Euro für drohende Verluste. Während die Regierung bei Wirtschaftsprüfern ein Gutachten in Auftrag gegeben hat, um Aufschluss über bankinterne Fehler zu bekommen, setzt die Opposition auf den schon im April 2005 vom Landtag eingesetzten Untersuchungsausschuss zur Sachsen LB.
Als Finanzminister folgte de Maizière im Februar 2001 dem zuvor vom damaligen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf geschassten Georg Milbradt (beide CDU), was ihm zugleich bis April 2002 auch den Vorsitz im Verwaltungsrat der Sachsen LB bescherte. Dieses Gremium hat nach Aussage von Linke-Obmann Klaus Tischendorf am 30. Oktober 2001 «unter de Maizières Leitung» die entscheidende strategische Neuausrichtung der Bank beschlossen, wonach sie ins internationale Wertpapiergeschäft einsteigen sollte - der Anfang vom Ende, wie neben Tischendorf auch SPD-Obmann Karl Nolle glaubt.
Nolle will den Zeugen de Maizière unter anderem fragen, «mit welcher Begründung er sich über alle ausdrückliche Warnungen vor den schwer kalkulierbaren Risiken hinweggesetzt» habe - und welche «direkte oder indirekte Rolle» der heutige Regierungschef Milbradt nach seiner Entlassung als Finanzminister in der Angelegenheit gespielt habe.
De Maizière werde «sagen müssen, ob er selbst für die verhängnisvollen Weichenstellungen bei der Landesbank verantwortlich ist oder ob er dabei lediglich auf Vorarbeiten von Milbradt zurückgegriffen hat», sagt Tischendorf. Er vermutet, dass der Kanzleramtsminister damit «bloß das zu Ende brachte, was Milbradt als langjähriger Finanzminister zuvor angedacht und bereits auf den Weg gebracht» habe. Ihm sei ein Gutachten der Unternehmensberatung McKinsey über die strategische Ausrichtung der Sachsen LB bekannt geworden, das bereits von Milbradt in Auftrag gegeben worden sei.
Der Ministerpräsident selbst ist für den 31. März und den 1. April zu einer zweitägigen Vernehmung geladen. Wie ungemütlich es für Milbradt wird, hängt unter anderem von de Maizières Auftritt an diesem Donnerstag ab. Bisher pocht Milbradts Lager darauf, dass er seit Anfang 2001 formal nichts mehr mit den Bank-Gremien zu tun hatte. Zwar hatte sich Milbradts Büro noch im Februar 2005 vom Bankvorstand eine Vorlage für eine Verwaltungsratssitzung der Sachsen LB schicken lassen - das damalige Interesse habe jedoch «einer ganz anderen Frage» gegolten, erklärte Staatskanzleichef Michael Sagurna Anfang Februar.
Von ddp-Korrespondent Tino Moritz
ddp/tmo/pon
201244 Feb 08