Karl Nolle, MdL

Süddeutsche Zeitung, 22.02.2008

Protokolle belasten Milbradt

CDU-Politiker wollte Aktivität der SachsenLB ausweiten
 
Dresden - Mit einer Landesbürgschaft über 2,75 Milliarden Euro musste Sachsen zum Jahresende den Verkauf seiner in Not geratenen Landesbank an die baden-württembergische LBBW absichern - risikoreiche Spekulationsgeschäfte hatten die Sachsen LB an den Rand einer Pleite gebracht. Noch ist der Prüfbericht nicht fertiggestellt, in welchem die kreditrechtlichen Verantwortlichkeiten für das Bankendesaster geklärt werden sollen und schon verdichten sich Hinweise, dass führende sächsische Politiker möglicherweise stärker in Details der Bankgeschäfte eingeweiht waren. Als einer der einst verantwortlichen Minister wurde am Donnerstag der heutige Chef des Kanzleramts, Thomas de Maizière, vor dem Landtagsuntersuchungsausschuss zur Sachsen LB gehört.

De Maizière war von Anfang 2001 an für etwa ein Jahr Finanzminister in Sachsen. Zu diesem Zeitpunkt war die irische Tochter der Sachsen LB, die später die Pleite mit den Fehlspekulationen auslösen sollte, bereits gegründet. Nach Protokollen aus den Aufsichtsgremien der Bank, die dem Untersuchungsausschuss vorliegen, hatte sich der heutige Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) und de Maizières Vorgänger im Amt des Finanzministers immer mal wieder nach Einzelheiten über die Aktivitäten in Dublin erkundigt. So fragte er im Sommer 2000 ganz konkret nach Möglichkeiten, die Geschäfte in Dublin auszuweiten. Nach einem Protokoll vom 9. Juni 2000 soll Milbradt etwa gefragt haben, "wann Dublin funktionieren werde".

Darüber hinaus ist vermerkt, Milbradt, der damals auch Vorsitzender des Verwaltungsrats der Bank war, habe wissen wollen, wann mit der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung durch das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen (BaKred) zur Ausweitung der Bankgeschäfte in Dublin gerechnet werden könne. Hintergrund: Mit Datum 28. April 2000 hatte die BaKred es abgelehnt, die Sachsen per Ausnahmegenehmigung von einer Kreditobergrenze zu befreien, weil die Bank keine "wirksame zentrale Großrisikosteuerung" habe. Damals betrug das Dublin-Geschäft nur etwa fünf Milliarden Euro, 2007 waren es weit über 40 Milliarden. Im Dezember 2000 war offenbar die strategische Ausrichtung hin zu den risikoreichen Geschäften erfolgt. De Maizière erklärte nun, von den konkreten Geschäften nichts gewusst zu haben, den Strategiewechsel der Bank aber bestätigte er.
Christiane Kohl