Karl Nolle, MdL

Freie Presse Chemnitz, 22.02.2008

Die guten Erinnerungen des Kanzleramtschefs

Thomas de Maizière spielte im Landesbank-Untersuchungsausschuss seine Routine aus — „Ja" zum Strategiewechsel
 
Dresden. Zeugen, die ein schlechtes Gewissen plagt, treten weniger selbstbewusst auf. Nein, Thomas de Maiziere (CDU) hat seine Amtszeit als sächsischer Finanzminister in ebenso positiver Erinnerung wie die Situation der Landesbank, deren Chefkontrolleur er zwischen Februar 2001 und Mai 2002 war. „Ja, ich habe die Bank in einem guten Zustand hinterlassen", sagte der heutige Chef des Bundeskanzleramtes im Sachsen-LB-Untersuchungsausschuss. Kein Wunder. Die Risiken, die später die Bank zum Einsturz brachten, schienen während seiner Amtszeit noch überschaubar.

Der Begriff Strategiewechsel beherrschte die Befragung des Ausschusses. 1999 hatte die Sachsen-LB ihre Tochter in Dublin gegründet. Ertragsmaximierung lautete der neue Kurs, den de Maizieres Vorgänger Georg Milbradt (CDU) eingefädelt hatte. ,,Unvermeidlich" nannte de Maiziere diese Veränderung. Für das traditionelle Kreditgeschäft sei der Heimatmarkt der Landesbank zu klein geworden, hinzu kamen drohende gesetzliche Einschränkungen für öffentlich-rechtliche Banken. Für die Fortsetzung einer großzügigen Kreditpolitik hätte der Freistaat durch eine Kapitalerhöhung einspringen müssen. Doch 2001 musste der Finanzminister eine Haushaltssperre verhängen.

„Der Zug war unterwegs", sagte de Maizière und meinte damit Vorgaben der Bankgremien, die vor seiner Amtszeit getroffen waren. Der Strategiewechsel zur Ausweitung riskanter Geldgeschäfte in Dublin sei aber nicht für das Debakel der Landesbank verantwortlich gewesen. ,,Das Maß des Geschäfts war das Problem", fügte er hinzu. Da wird der Ausschuss noch bohrende Fragen an seinen Nachfolger Horst Metz (CDU) stellen, in dessen Amtszeit die Landesbank sich schwer verhob.

Vergeblich versuchte die Opposition, mit Ministerpräsident Milbradt die eigentliche Zielscheibe der Untersuchung zu treffen. ,,Mein Amtsvorgänger hat früher als andere erkannt, dass man etwas anders machen muss", verteidigte de Maiziere offensiv die Neuausrichtung des Bankkurses. Milbradt steht Ende März im Kreuzfeuer von Fragen.

Ob 2001 mit dem Abenteuer in Dublin der Einstieg in den Untergang begonnen habe, wollte Andreas Schmalfuß (FDP) wissen. De Maiziere hielt dagegen, dass die Landesbank ohne die Erträge aus Dublin ihren „strukturpolitischen Auftrag" nicht hätte ausführen können. Doch dann hielt Schmalfuß dem Ex-Finanzminister ein Zahlenverhältnis vor: Bei einer Bilanzsumme von 65 Milliarden Euro im Jahr 2001 habe der Kreditanteil für die mittelständische Wirtschaft nur 472 Millionen Euro ausgemacht, also 0,7 Prozent. „In dieser Dramatik waren mir die Zahlen nicht klar", räumte de Maiziere ein."

Er habe drei große Baustellen gehabt, blickte de Maiziere auf seine Finanzminister -Zeit zurück und nannte unter anderem den Volksentscheid um den Sachsen-Finanzverband. Dass dieser Aufwand den Finanzminister zeitlich überfordert haben mag, sprach Karl Nolle (SPD) an. De Maiziere habe nur an fünf von zwölf Sitzungen des Kreditausschusses teilgenommen. „Fehlende Zeit ist immer ein Problem von politischer Kontrolle", räumte der heutige Kanzleramtschef ein.

Rund sechs Stunden dauerte de Maizieres gestriger Auftritt. Zum Bankdesaster konnte er nichts Erhellendes beitragen. Doch nutzte er die Gelegenheit, sein vergebliches Bemühen aufzuzeigen, dem später geschassten Bankchef Michael Weiss etwas Sozialkompetenz beizubringen. Weiss lebt seit Jahren mit seiner früheren Mitarbeiterin Andrea Braun auf Zypern – fürstlich bezahlt mit staatlichen Gehältern.
VON HUBERT KEMPER