Karl Nolle, MdL
Sächsische Zeitung, 06.03.2008
Schock und Freude über Tunnel-Votum aus Paris
CDU und FDP reagierten bestürzt auf die Nachricht des Welterbezentrums. Die Grünen wollen das Bürgerbegehren pro Tunnel durchsetzen.
Kurz vor 18 Uhr war es klar: Das Welterbezentrum in Paris akzeptiert die Schlankheitskur für die Elbbrücke am Waldschlößchen nicht. Nur der Bau eines Tunnels könne den Weltkulturerbetitel retten.
So eindeutig hatte das bisher niemand in Dresden vernommen. SPD-Bundestagsabgeordnete Marlies Volkmer war mit Rainer Kempe, Martin Dulig und Ralf Weber beim Chef des Welterbezentrums Francesco Bandarin. „Weit über eine Stunde sprachen wir mit ihm, stellten die Brückenentwürfe vor und erklärten das Tunnelprojekt“, sagte Marlies Volkmer der SZ. „Die Reaktion war eindeutig. Bei der neuen Brücke sehe man keinen Unterschied zur alten, sagte uns Bandarin. Jetzt ist der Stadtrat am Zug.“
Rohwer: Das ist respektlos
Noch am Abend bestätigt das Welterbezentrum die Aussagen, dass allein ein Tunnel, den Welterbetitel retten könne. In Dresden lösten die Nachrichten aus Paris ein geteiltes Echo aus. Während Brückenbefürworter sich empört zeigten, forderten Tunnelbefürworter einen neuen Bürgerentscheid.
Die Staatsregierung reagierte schockiert. „Das kann aus unserer Sicht nicht sein“, sagte Regierungssprecher Peter Zimmermann der SZ. „Warum hat die Unesco Gutachter nach Dresden geschickt, die die Umplanungen bei der Brücke in Augenschein nahmen?“, sagte er.
Ähnlich äußerte sich Dresdens CDU-Chef Lars Rohwer. „Ich finde das respektlos, was die Unesco da treibt.“ Der FDP-Stadtrat und Landtagsabgeordnete Holger Zastrow sagte – vor der Bekanntgabe der Unesco-Haltung – im Parlament: „Die Bewerbung um den Welterbetitel war ein Fehler.“
Dagegen rief Grünen-Chefin Eva Jähnigen dazu auf, rasch das Bürgerbegehren für den Tunnel durchzuführen, für das bereits rund 40000 Unterschriften vorliegen. Sachsen solle diesen Prozess nicht behindern, sagte sie mit Blick auf das Regierungspräsidium, das das Begehren für rechtswidrig hält.
Lahmes: Tunnelbau umsetzen
SPD-Fraktionschef Peter Lahmes rief zu besonnenem Handeln auf. Nun müsse alles getan werden, um die welterbeverträgliche Tunnellösung umzusetzen. Die Stadt äußerte sich zunächst nicht. „Wir wollen warten, bis uns etwas Offizielles vorliegt“, sagte Rathaussprecher Kai Schulz.
Erwartet wird nun mit Spannung, wie die CDU im Oberbürgermeisterwahlkampf mit der Situation umgeht. Ihre Kandidatin, Sachsens Sozialministerin Helma Orosz, hatte sich mehrfach für den Bau ausgesprochen. Nun ist klar, dass jede Form der Brücke – auch die von der CDU favorisierte verschlankte Variante – den Titelverlust bringt. Zudem gehen Beobachter von weiteren Reibungen in der schwarz-roten Landesregierung aus. Der Brückenstreit könnte sich zu einer großen Koalitionskrise ausweiten.
Von Peter Ufer und Thilo Alexe