Karl Nolle, MdL

Agenturen dpa, 17:57 Uhr, 11.03.2008

Regierung sieht keine politische Verantwortung für Bankenkrise

 
Dresden (dpa/sn) - Sachsens Regierung sieht bei sich keinerlei politische Verantwortung für die Krise der Landesbank. Das machte Finanzminister Stanislaw Tillich (CDU) am Dienstag bei Vorlage eines Berichts der Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young in Dresden klar. Allerdings müssen nun frühere Vorstände der Sachsen LB mit juristischen Folgen rechnen. Laut Tillich geht der Prüfbericht an die Staatsanwaltschaft Leipzig. Zudem würden zivilrechtliche Schadenersatzforderungen geprüft.

«Der Bericht lässt keinen Zweifel daran, dass es in der Sachsen LB und ihren Tochterfirmen zu folgenschweren Fehleinschätzungen von Liquiditäts- und Marktpreisrisiken gekommen ist. Die Hauptprobleme erwuchsen aus dem Umfang der Geschäfte», erklärte die Staatskanzlei. Als Gründe nennt sie «unprofessionelles Risikomanagement», «mangelnde interne Transparenz» und «Informationsverlust bei Führungswechseln». «Die Verantwortung hierfür lag bei den Vorständen.» Nach Ansicht der Staatskanzlei wurden die Aufsichtsgremien unzureichend informiert.

Die Sachsen LB stand 2007 nach Spekulationen ihrer Dubliner Tochter auf dem US-Hypothekenmarkt vor dem Aus und konnte nur durch einen Verkauf an die Landesbank Baden-Württemberg gerettet werden. Sachsen bürgt bei Ausfällen mit bis zu 2,75 Milliarden Euro. Mit der Krise befasst sich auch ein Untersuchungsausschuss des Landtages. Tillich kündigte an, dass dieses Gremium den Bericht von Ernst & Young erhalten soll.

Laut Tillich ist ein «Valuation Agreement» - eine Vereinbarung zwischen der Sachsen LB und ihrer Dubliner Tochter über Risiken - «offenbar nicht in den Risikomanagementsystemen der Bank erfasst» worden und habe auch in den quartalsweisen Risikoberichten keinen Niederschlag gefunden. Der Jahresabschluss 2004 sei ohne Hinweis auf diese speziellen Risiken aufgestellt, geprüft und verabschiedet worden. Auch in den Abschlüssen 2005 und 2006 sei keine «Abbildung der finanziellen Verpflichtungen» aus diesem Agreement erfolgt.

Bei den Parteien in Sachsen fielen die Reaktionen auf den Bericht ganz unterschiedlich aus. Die Linken sehen Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) durch ein «bestelltes Bank-Gutachten nicht entlastet». «Wir gehen im übrigen davon aus, dass der Ministerpräsident sehr wohl - anders als die Aufsichtsgremien der Bank - laufend auch persönlich über die Details der Bankgeschäfte in Kenntnis gesetzt wurde», betonte der finanzpolitische Sprecher der Linken, Ronald Weckesser.

Für den CDU-Koalitionspartner SPD äußerte sich neben Fraktionschef Martin Dulig auch der Obmann im Untersuchungsausschuss, Karl Nolle. Dulig sah die Aufsichtsgremien entlastet. Nolle machte dagegen erneut Milbradt verantwortlich. «Milbradt als Vorstandschef der Sachsen AG trägt für das Desaster ausschließlich allein die politische Verantwortung.» Möglicherweise habe Milbradt «Beihilfe zur Milliarden-Untreue zum Schaden Sachsens» begangen.

Die Grünen-Fraktion will Milbradt nicht aus der Verpflichtung entlassen, die politische Verantwortung zu klären. Fraktionschefin Antje Hermenau zeigte sich laut einer Mitteilung überrascht, dass der Ministerpräsident «jetzt glaubt, sich unter dem Gutachten wegducken zu können». Die Regierung liege falsch, wenn sie ableite, sie trüge keine Schuld am Landesbankdesaster, sondern allein die Vorstände. Das Finanzministerium habe in den maßgeblichen Kontrollgremien der Bank den Vorsitz inne und hier die Bringschuld, kritisch nachzufragen. «Es gab genügend Warnungen», sagte Hermenau, die «ein eklatantes Versagen des Ministeriums» sieht.

CDU-Fraktionschef Fritz Hähle nahm den Regierungschef in Schutz. Milbradt, der seit 2001 den Bankengremien nicht mehr angehört habe, sei seiner politischen Verantwortung «jederzeit gerecht geworden». «Georg Milbradt und die Sächsische Union versichern erneut allen Sachsen: Es wird keine Auswirkungen auf Investitionen, Wirtschaft, Kultur, Sozialprogramme, die Kommunen und die Sparkassen geben», sagte der CDU-Politiker zu Spekulationen um Folgen der Krise.

dpa su/sb yysn z2 ml 111757 Mrz 08