Karl Nolle, MdL

Die Welt, 12.03.2008

Gutachten: Vorstände allein für Debakel bei Sachsen LB verantwortlich

Mananager sollen Informationen zurückgehalten haben — Landesregierung sieht sich entlastet und übergibt Prüfbericht der Staatsanwaltschaft
 
DRESDEN - Die Aufarbeitung des Debakels der sächsischen Landesbank geht in eine neue Runde. Finanzminister Stanislaw Tillich prä. senticrte am Dienstag in Dresden ein Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young, das er mit Ministerpräsident Georg Milbradt (beide CDU) in Auftrag gegeben hatte. Tillichs Fazit der Expertise fällt indes ernüchternd aus: Für den wirtschaftlichen Niedergang der Sachsen LB werden einzig führende Bankmanager verantwortlich gemacht, nicht aber Versäumnisse der Landesregierung. Die trage keine Schuld am Debakel der Bank.

Laut Tillich haben die Bank-Vorstände den Aufsichtsgremien wesentliche Informationen über die 2004 gestarteten, außerbilanziellen Risikogeschäfte vorenthalten. Sicherheiten und Garantien seien„nicht in den Risikomanagementsystemen der Bank erfasst" worden und hätten „auch in den. Risikoberichten keinen Niederschlag" gefunden. Auch die Jahresberichte der Sachsen LB seien ohne notwendige Hinweise aufgestellt, geprüft und verabschiedet worden.

Zu Gründen und Ursachen wollte sich Tillich nicht äußern. Die Schuldfrage wolle er gerichtlich klären lassen - er werde den Prüfbericht jetzt der Staatsanwaltschaft übergeben. Außerdem prüfe sein Haus zivilrechtliche Schritte gegen die Bankvorstände.

Angaben über finanzielle Verpflichtungen wären unbedingt erforderlich gewesen, so der Minister. „In der Unterlassung dieser Angaben sehen die Gutachter ein Versäumnis des Gesamtvorstandes." Gremien wie der Kreditausschuss und der Verwaltungsrat seien „über mehrere Jahre unzureichend informiert" gewesen.

Tillich wies dabei auf eine besondere Situation hin: Für ihre gemeinsame Zweckgesellschaft „Ormond Quay" hätten die Landesbank und ihre Dubliner Tochter Sachsen LB Europe dank einer Patronatserklärung des Freistaates alle Risiken übernommen - die voll durch die Gewährträgerhaftung Sachsens erfasst sind. Zwar hätte eine Prüfung der Bundesfinanzaufsicht Bafin schon 2005 eine Reihe von Mängeln aufgedeckt. Der Vorstand habe 2006 jedoch behauptet, dass alle Probleme behoben seien. Auch nach weiteren Warnungen angesichts der Immobilienkrise hätten die Manager ihre Aktivitäten „nicht begrenzt, sondern noch ausgeweitet" und kritische Nachfragen selbst im August 2007 noch abgetan. Die Sachsen LB Europe hatte sich mit Milliarden-Spekulationen in Zweckgesellschaften auf dem US-Immobilienmarkt massiv verhoben und damit das Leipziger Mutterhaus in eine gefährliche Schieflage gebracht.

Erst am Montag hatte die Sachsen LB für 2007 Rekordverluste von 642 Mio. Euro eingeräumt, die die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) schultern muss. Die Stuttgarter hatten die einzige ostdeutsche Landesbank per Notverkauf erworben. Der Freistaat musste für den Deal allerdings eine Bürgschaft von 2,7 Mrd. Euro übernehmen.

Als Vater der Idee einer ostdeutschen Landesbank ist Milbradt seit der Krise in den eigenen Reihen und beim Koalitionspartner SPD massiv unter Druck geraten. Der Volkswirtschafter weist jedoch die Verantwortung von sich. Seit seinem Rauswurf als Finanzministerunter Ex-Premier Kurt Biedenkopf 2001 sei er schließlich nicht mehr in den Gremien des Geldhauses vertreten. Es sei „ein großes Ärgernis, dass die Ereignisse um die Sachsen LB das Bild unseres Freistaates so lange ungut beeinflusst haben", erklärte Milbradt am Dienstag.

Der Bericht zeige, wie schwierig es war, die Ursache innerhalb der Bank herauszufinden. Die Kritiker lassen allerdings nicht locker. „Für das Landesbank-Desaster ist alleine Milbradt politisch verantwortlich", sagte der einflussreiche SPD-Landtagsabgeordnete Karl Nolle gestern. Der Ministerpräsident habe jahrelang die Handlungen der Vorstände trotz öffentlicher Warnungen gedeckt und sich um kleinste Einzelheiten der Bank gekümmert. Nolle: „Das ist möglicherweise Beihilfe zur Milliarden-Untreue zum Schaden Sachsens." Auch die Linke erklärte, das Gutachten entlaste Milbradt keineswegs.
Von Sven Heitkamp