Karl Nolle, MdL

Freie Presse Chemnitz, 12.03.2008

Ohne Nelz und doppelten Boden

Gutachten deckt haarsträubende Mängel in der Sächsischen Landesbank auf
 
Dresden. 14 Seiten zählt der Inhalt des Werkes der Wirtschaftsprüfer Ernst & Young. Insgesamt umfasst es 200 Seiten. In der ersten Reihe sitzen bei der Präsentation in der Staatskanzlei vier Gutachter und schweigen. Fragen zu ihren monatelangen Recherchen in der SachsenLB dürfen sie nicht beantworten. Dafür steht der Finanzminister im Kreuzfeuer. „Nein", wiederholt Stanislaw Tillich (CDU) auf bohrendes Nachhaken. „Eine Schuldfrage muss die Staatsanwaltschaft klären."

„Freispruch" folgert die Regierung aus dem Auftragswerk des Finanzministers. CDU/SPD sehen sich entlastet vom Vorwurf der Pflichtversäumnis, die zuerst Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) als Architekt und langjährigem Finanzminister angelastet wurden. „Die Kernaussage des Prüfberichts lautet Entlastung der Aufsichtsgremien", stößt Martin Dulig ins gleiche Horn. Noch im Dezember hatte der SPD-Fraktionschef Milbradt den Rücktritt nahe gelegt.

Verschleierung der Gefahren

Kaum glaubhaft scheint, was Tillich über den lockeren Umgang mit Steuermilliarden aus dem Prüfbericht zum Besten gab. So stand der Freistaat im Rahmen seiner Gewährträgerhaftung für die Risiken der in Dublin gegründeten Zweckgesellschaft „Ormond Quay" in voller Höhe gerade. Das Engagement sei weder im Risikomanagementsystem der Bank erfasst worden, noch habe es in den Quartalsberichten Niederschlag gefunden. Daher seien die Jahr für Jahr ausgeweiteten Geschäfte in den Jahres- und Konzernabschlüssen nicht aufgetaucht.

„Aufgrund der fehlenden Erfassung der Risiken, insbesondere der Übernahme sämtlicher Verpflichtungen aus der Zweckgesellschaft, waren die Gremien über Jahre unzureichend informiert", machte Tillich die Verschleierung der Gefahren deutlich. „Dritten war es daher nicht möglich, sich ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild von der Bank zu machen", heißt es in dem Bericht.

Auch nach zahlreichen Mängelrügen von renommierten Wirtschaftsprüfern, die von Oktober 2004 bis April 2005 das Dubliner Geschäft der Sachsen LB untersuchten, habe der Vorstand nicht das Ruder herumgeworfen. Eher umgekehrt: Im Oktober 2006 habe der Vorstand den Verwaltungsrat informiert, dass sämtliche Beanstandungen behoben worden seien.

Ausweitung der Geschäfte

Schließlich sei die Landesbank im März 2007 von der Bundesbank um Informationen über Kredit-Engagements mit amerikanischen Banken gebeten worden. Die Leipziger haben laut Ernst & Young „keine erkennbaren Maßnahmen der Volumens- oder Risikobegrenzung" veranlasst. „Im Gegenteil: Die Geschäfte wurden ausgeweitet."
Ein Schreiben des Finanzministeriums von August 2007, das mögliche Folgen der negativen Entwicklung des Immobilienmarktes hinterfragte, machte den Dilettantismus der Bankführung deutlich: Der Vorstand war sich über die Haftung für die Schieflage seiner Zweckgesellschaft nicht im Klaren. Nun sollen zivilrechtliche Ansprüche überprüft werden – für eine Bürgschaft über 2,7 Milliarden Euro.

Während die Regierung die frühere Bankführung in der Pflicht sieht, ist für Karl Nolle (SPD) die Schuldfrage geklärt: „Politisch verantwortlich ist allein Ministerpräsident Milbradt." Dieser sei „laufend und persönlich" über die Details der Bankgeschäfte informiert gewesen, behauptet die Linksfraktion. Das Gutachten stelle der Regierung keinen Persilschein aus, glaubt FDP-Finanzfachmann Andreas Schmalfuß.
VON HUBERT KEMPER