Karl Nolle, MdL
DNN/LVZ, 22.03.2008
"Ein Desaster für Sachsen"
Wirtschaftsminister Jurk zur Landesbank und der Rolle von Regierungschef Milbradt
Dresden. Nach dem Notverkauf der SachsenLB fordert Wirtschaftsminister Thomas Jurk (SPD) mehr politische Aufklärung. Die Mitglieder der Kontrollgremien sollten von ihrer Verschwiegenheitspflicht befreit werden.
Frage: Die Linke in Sachsen will ab 2009 zusammen mit der SPD die Regierung stellen. Freuen Sie sich schon darauf, Juniorpartner unter einem linken Ministerpräsidenten zu sein?
Thomas Jurk: Erst einmal stelle ich fest, die SPD hat in Umfragen ein deutliches Stück zugelegt, die CDU bleibt konstant. Das ist es eine Bestätigung der Regierung. Wir arbeiten erfolgreich zusammen, was leider öfter durch einzelne negative Ereignisse überlagert wird. Zu den Linken: Vor kurzem hat die Thüringer SPD per Mitgliederbefragung eine Juniorpartnerschaft ausgeschlossen. Das Ergebnis in Sachsen würde genauso ausfallen.
Sie schließen es also aus?
Ja. Es gibt dafür keine Mehrheit, weder in der Bevölkerung noch in der sächsischen SPD.
Die SPD-Wähler in Hessen konnten sich auf die Ansagen vor der Wahl auch nicht verlassen ...
Das lag an den komplizierten Verhältnissen dort. Man kann aber feststellen, dass das Thema Umgang mit der Linken nun auch in Westdeutschland angekommen ist. Dabei sollte der Westen die Erfahrungen im Osten nutzen: Wenn die Linke in Verantwortung kommt, muss sie Farbe bekennen und ist plötzlich bereit, vorher als grauenvoll bezeichnete Projekte mit umzusetzen.
Die Linke ist in den neuen Ländern aber stärkste Partei, die Strategie der Entzauberung hat nicht funktioniert.
Im Gegenteil: In der Stadt Berlin wird die Linke von der Realpolitik heimgesucht und muss sich von den Wohltaten verabschieden, die sie vorher versprochen hat.
Wer oder was stört Sie besonders?
Als gebürtiger DDR-Bürger ist es für mich schwierig, mit der Vergangenheit mancher Würdenträger klarzukommen.
Sie meinen die Stasi-Vergangenheit von Volker Külow?
Nicht nur die. Auch Peter Porsch war eine deutliche Belastung.
Wie steht es um FDP und Grüne?
Vorausgesetzt die Mehrheiten geben es her, gibt es mit den Grünen einige Übereinstimmung. Mit der FDP ist es schwierig, weil sie sich dauernd als Wurmfortsatz der CDU verhält. Aber es gilt: Nach der Wahl muss man mit den dann handelnden Personen die politischen Schnittmengen ausloten und dann entscheiden, wo die größte Portion Sozialdemokratie drin ist.
Werden Sie 2009 als Spitzenkandidat antreten?
Ich stehe bereit, aber das wird die Partei zu geeigneten Zeitpunkt entscheiden. Allerdings ist es nicht unüblich, dass ein Landesvorsitzender Spitzenkandidat wird …
Wie ist die Zusammenarbeit mit Georg Milbradt?
Natürlich gibt es immer Dinge, an denen man sich reibt und auch mal grämt. Aber generell geht bei Milbradt und mir das Landesinteresse vor, die Kooperation funktioniert.
Das Klima aber ist mäßig. Immer wieder gibt es Angriffe aus SPD-Reihen, zum Beispiel in der Aktenaffäre.
In einer Koalition muss man nicht stromlinienförmig sein, sondern deutlich machen, wo die eigene Position ist. In der Aktenaffäre war uns sehr an Aufklärung gelegen, auch mit Blick auf Leipzig. Da musste der leiseste Verdacht ausgeräumt werden. Und auch in der aktuellen Debatte mit Innenminister Buttolo um den Disko-Krieg, kann ich Burkhard Jung nur zu gut verstehen. Wenn immer wieder Gerüchte gestreut werden über ein „skandalöses Leipzig“, muss man doch darauf hinweisen, dass diejenigen, die in der Vergangenheit die Lage völlig falsch eingeschätzt haben, wie der Innenminister mit seiner Mafia-Rede, jetzt nicht allzu laut werden sollten. Ich erwarte von einem für die Polizei zuständigen Minister, dass er für Sicherheit sorgt – und nicht für Krawall über die Medien.
Herr Nolle von der SPD stänkert aber ebenfalls gegen die CDU. Wie wollen Sie da Ruhe hinein bringen?
Das ist wie beim Fußball: Karl Nolle ist ein Individualist. Der schießt aus 30 Metern schon mal ein Tor, mit dem keiner rechnet. Und dann gibt es einen Rückpass, bei denen sich alle erschrecken.
Wie groß sind die Probleme mit der SachsenLB?
Das Thema ist ein extremes Ärgernis. Man muss sich das mal vorstellen: Da gibt’s eine Landesbank und die ist urplötzlich weg. Das ist schlicht ein Desaster für den Freistaat. Dass Landesbanker mit Steuer-Milliarden zocken, macht mich sprachlos.
Wer trägt die Verantwortung?
Wir müssen aufklären, auch über das vorgelegte Gutachten von Ernst & Young hinaus. Denn das Papier nimmt keine politische Bewertung vor. Das müssen wir jetzt leisten.
Und wie?
Es ist notwendig, dass die Mitglieder der Gremien sich offen äußern können. Dazu gehört auch, dass die Protokolle der Sitzungen in der Landesbank dem U-Ausschuss und der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. Bei solch einem schwer wiegenden Fall muss man das machen.
Sie meinen, die Verwaltungsräte sollten von ihrer Verschwiegenheitspflicht befreit werden?
Ja. Mir ist daran gelegen, dass es Antworten auf entscheidende Fragen gibt: Was wurde in den Gremien beraten, wer hat welche Fragen gestellt, und wie sind die Mitglieder ihrer Verantwortung gerecht geworden, wie hat der Vorstand die Verwaltungsräte und Kreditausschussmitglieder informiert?
Teilen Sie die Einschätzung der Opposition, dass die Landesbank ein Kind des Ministerpräsidenten ist?
Georg Milbradt war Finanzminister, als die Landesbank gegründet wurde. Dafür gab es große Zustimmung im Landtag. Ihm ist dann allerdings bewusst geworden, dass die Bank für das, was man von ihr erwartet hatte, zu klein war. Und so hat er entschieden, dass die Bank zusätzlich zum Mittelstandsgeschäft Geld auf anderen Märkten verdienen muss. Deshalb kämpfte er für die Sachsen Finanzgruppe mit Landesbank und Sparkassen. Das war eine Kurskorrektur, die nicht erst 2001 eingeläutet wurde, das ist viel früher geschehen.
War Milbradt auch als Regierungschef so gut informiert, dass er die politische Konsequenz ziehen muss?
Das kann ich nicht beurteilen.
Gibt es eine moralische Verantwortung?
Ich kann mir vorstellen, dass es dem Regierungschef an dieser Stelle überhaupt nicht gut geht. Denn die Entwicklung hat ja gezeigt, dass es keine richtige Entscheidung war. Aber am Ende sind ja alle immer klüger.
In Leipzig geht im Moment einiges schief. Es gibt einen Bürgerentscheid, den der OB verliert; es gibt Krawalle, Hooligans und neuerdings einen Disko-Krieg. Haben Sie den Eindruck, dass Jung aus dem Tritt geraten ist?
Leipzig ist seit 1990 eine Erfolgsgeschichte. Und zu den Problemen kann ich nur sagen: Die gibt’s in jeder Stadt. Das Wichtigste aber ist, dass es aufwärts geht. Wir werden in Leipzig weitere Ansiedlungen haben, da bin ich sicher.
Welche?
Im Umfeld des Flughafens wird einiges hinzu kommen. Leipzig hat im Bereich Logistik sehr gute Entwicklungspotenziale.
Dafür ist die Games Convention weg ...
... was für mich nicht nachvollziehbar ist. Ich halte es für fatal, dass man sich mit öffentlichen Geldern Konkurrenz macht.
Notiert von Jürgen Kochinke