Karl Nolle, MdL
DNN/LVZ, 27.03.2008
Ende der grünen Beschaulichkeit
In der Affäre um die SachsenLB geht Fraktionschefin Hermenau auf Distanz zu Milbradt
Dresden. Es gab Zeiten, da galt Antje Hermenau als heimliche Verehrerin der Politik von Georg Milbradt (CDU). Nur selten attackierte die Fraktionschefin der Grünen den Ministerpräsidenten direkt, ist sie doch Finanzer wie er. Und für solche Fachkreise gilt allemal: Man versteht sich, auch über Parteigrenzen hinaus. Seit einem knappen Jahr aber ist es um die schwarz-grüne Beschaulichkeit geschehen. Erst ging Hermenau in der Affäre um Geheimakten des Verfassungsschutzes erkennbar auf Distanz zu Milbradt, und jetzt hat sie auch letzte Reste ihrer Beißhemmung abgelegt. Konfrontation lautet die neue Devise, schließlich geht es um die SachsenLB – das heißt ums finanzpolitisch Zentrale, das Geld.
Antje Hermenau: "Wir grünen sind jetzt auf Krach gebürstet, das ist ganz klar. Ich sitze ja nicht im Hoffungsausschuss, sondern im Haushaltsausschuss."
So steht der Freistaat wegen des Notverkaufs der Bank mit einer Bürgschaft in Höhe von 2,75 Milliarden Euro in der Pflicht. Hier ist Hermenau nicht zu bremsen. Die Zockerei der Banker mit Steuermilliarden in Dublin, meint sie im neuen Stil grüner Opposition, werfe kein gutes Licht auf die Regierung. Vor allem nicht auf Milbradt: „Entweder hat er nichts gewusst, dann ist er ein miserabler Finanzer; oder er hat es gewusst, dann muss er in politische Haftung genommen werden.“
Um dies zu untersetzen, hat Hermenau das Verfassungsgericht in Leipzig eingeschaltet. Organklage heißt das und meint: Sachsens Grüne wollen über die höchsten Landesrichter einen Nachtragshaushalt für 2008 erzwingen. Begründung: Die Bürgschaft sei verfassungswidrig, die Regierung missachte das Haushaltsrecht und das Parlament. Ebenso rechtswidrig sei die Risikogarantie des Landes aus dem Jahr 2004 für den später geplatzten 17-Milliarden-Fonds Ormond Quay. „Hier wird an demokratischen Grundrechten vorbei regiert“, meint Hermenau, das werde sie nicht akzeptieren.
Dabei geht die Grüne davon aus, dass ein erheblicher Teil der 2,75-Milliarden-Bürgschaft fällig wird. Hatte Staatskanzleiminister Michael Sagurna (CDU) im Interview mit dieser Zeitung noch von rund 800 Millionen gesprochen, so rechnet Hermenau mit einem realen Verlust von bis zu 1,5 Milliarden, auch weil die Immobilienkrise in den USA sich weiter verschärft. In eben diesen US-Markt hatte die Sach- senLB-Tochter in Dublin bis 2007 Milliarden investiert – und womöglich verbrannt. „Wir werden am Ende dafür blechen“, sagt Hermenau knallhart, „die Frage ist nur, ob der Finanzminister das im dunklen Kämmerlein ausheckt“.
Das wollen die Grünen mit ihrem Gang nach Leipzig verhindern. „Wir fordern eine Debatte über jene Bereiche, wo wegen des Bank-Desasters gekürzt werden muss“, meint Hermenau. Weiterhin erwägt sie eine Klage, weil das Finanzministerium Auskünfte zu Risikofonds verweigert. Aus Sicht des Ressorts sind die Vorwürfe unbegründet. Das Ministerium treffe „derart wichtige Entscheidungen nicht, ohne sie intensiv zu prüfen“, lautet die Versicherung aus dem Hause von Stanislaw Tillich (CDU). Darüber hin- aus sei die Bürgschaft „bisher noch nicht in Anspruch genommen worden“. Der das sagt, ist nicht der Minister, sondern Ressortsprecher Burkhard Beyer. Tillich sagt dazu vorerst lieber nichts.