Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 01.04.2008

Mit Charme und schroffen Kontern

Untersuchungsausschuss zur Landesbank: Ministerpräsident Milbradt weist jede Mitschuld von sich
 
Dresden. In der Regel gibt Georg Milbradt (CDU) den beinharten Finanzer. Zugeknöpft wirkt der Regierungschef dann, zuweilen auch ein wenig mürrisch. Den Montagmorgen allerdings beginnt er mit einer ungewohnten Geste. Minutenlang schreitet er unter dutzenden Kameras durch den Saal im 6. Stock des Dresdner Landtags, schüttelt lächelnd viele Hände. Dabei weiß jeder im Saal: Es wird kein leichter Gang für den Ministerpräsidenten. Schließlich steht seine mit Spannung erwartete Vernehmung vor dem U-Ausschuss zur Landesbank auf dem Programm. Es geht um den Notverkauf des Geldinstituts – und um Milbradts Rolle dabei.

Dabei ist die Charmeoffensive des Regierungschefs am Morgen Teil des Auftritts insgesamt. Nach heftigen Attacken der Opposition, nach Rücktrittsforderungen selbst aus Reihen des Koalitionspartners SPD präsentiert sich Milbradt gut präpariert und startet die Vernehmung mit einem zweieinhalbstündigen Statement. Darin wiederholte er das, was er seit dem Debakel im vergangenen Jahr immer wieder beteuert; dass er sich persönlich massiv für die Rettung der SachsenLB eingesetzt habe; dass er so milliardenschwere Verluste für den Freistaat weitreichend verhindert habe.

Vor allem aber weist der Ex-Finanzminister jedwede Mitschuld von sich. „Während meiner Zeit in den Gremien der Bank habe ich immer größten Wert darauf gelegt, risikoarme Geschäfte einzugehen“, ruft er in den Saal. Nicht die Bank sei das Problem gewesen, ja noch nicht einmal der Einstieg in die Geschäfte in Irland 1999. In Schieflage sei die SachsenLB erst mit der massiven Ausweitung des Engagements und der Gründung außerbilanzieller Zweckgesellschaften 2004/2005 geraten – in einer Zeit also, als er nicht mehr zuständig gewesen sei.

Die eigentliche Schuld fürs Desaster lastet Milbradt den Bank-Managern an. Diese hätten die Aufsichtsgremien über Jahre hinweg unvollständig bis gar nicht über die Risiken informiert. „Wenn dem so ist“, lautet sein Kernsatz in eigener Sache, „dann kann dem Ministerpräsidenten nicht vorgeworfen werden, er habe eine realistische Vorstellung gehabt oder haben müssen.“ Fazit: Es könne keine politische Haftung für Vorgänge geben, die die politische Ebene gar nicht erreicht hätten.

Nicht zufällig verweist Milbradt hier auf das Gutachten der Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young, die das nach Ansicht der Staatsregierung ähnlich sehen. Was der Regierungschef aber unerwähnt lässt, ist die Tatsache, dass selbst Ernst & Young durchaus auf die mangelnde Kontrolle der Aufsichtsgremien hingewiesen haben – und diese sind unter anderem mit Mitgliedern der Staatsregierung besetzt.

Entsprechend wenig beeindruckt zeigen sich der kleine Koalitionspartner SPD und die Opposition. Für beide ergibt ein Blick auf Milbradts politisches Engagement ein eindeutiges Bild: So war der Volkswirtschaftler von 1990 bis 2001 unter Kurt Biedenkopf (CDU) Finanzminister des Freistaates, er hatte die einzige ostdeutsche Landesbank ab 1991 mit aufgebaut und war bis 2001 Vorsitzender der Aufsichtsgremien. Außerdem habe er sich als Regierungschef ab 2002 häufig in Vorgänge der Bank eingeschaltet. Relativ ruhig beantwortet Milbradt die Fragen, nur einmal reagiert er sichtlich gereizt. Als der Links-Politiker Sebastian Scheel immer wieder neu nach der Rolle im Jahr 2001 fragt, kontert der Regierungschef schroff: „Das geht Sie nichts an.“

Alles wartet unterdessen auf den Auftritt von Karl Nolle. Nach fünfstündigem Vernehmungs-Marathon kommt der SPD-Mann schließlich zum Zug – und überrascht mit einem brisanten Vertrag. Danach hat ausgerechnet Michael Sagurna (CDU) Ende 2004 als Berater für den inzwischen verstorbenen Ludwig Hausbacher fungiert, einen mit der Familie von Milbradt-Gegner Kurt Biedenkopf (CDU) verbandelten Tutzinger Geschäftsmann. Dabei ging es um einen Rechtsstreit mit der SachsenLB um viele Millionen, in dem Milbradt klar gegen Hausbacher Front gemacht hatte. Der ehemalige Biedenkopf-Sprecher Sagurna aber ist jetzt Staatskanzleiminister und damit mächtigster Mann in der Regierungszentrale von Milbradt.
Von SVEN HEITKAMP und JÜRGEN KOCHINKE