Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 05.04.2008

Punktsieg und alte Feindschaften

SachsenLB-Ausschuss: Milbradt zufrieden
 
Dresden. Vor rund einer Woche waren die Sorgen in der Staatskanzlei erheblich. Was, so fragten sich die Mitarbeiter aus dem Beraterstab von Regierungschef Georg Milbradt (CDU), könnten die Kritiker alles in der Hinterhand haben? Mit welchen neuen Dokumenten würden sie den Ministerpräsidenten in der Sitzung des U-Ausschusses zur Landesbank in die Bredouille bringen? Es gab Krisensitzungen am Wochenende, interne Papiere machten die Runde – als Vorbereitung für den Vernehmungsmarathon Montag und Dienstag.

Einige Stunden später schon war die Anspannung der Unionsstrategen wohldosierter Erleichterung gewichen. Gut vorbereitet hatte Milbradt seine Lesart der Dinge den Ausschussmitgliedern präsentiert, hatte die meisten Attacken erfolgreich abwehren können. Und bereits am Ende des ersten Tages, nach über zehn Stunden Vernehmung, war er so kampfeslustig gestimmt, dass er am liebsten weitergemacht hätte – und sei’s bis Mitternacht. Die Sitzung des U-Ausschusses, so die allgemeine Meinung hinterher, konnte er als klaren Punktsieg verbuchen, für sich und für die CDU.

Das lag an der Sitzung selbst. Der mit Spannung erwartete Auftritt zur politischen Verantwortung des Regierungschefs an der De-facto-Pleite der Landesbank brachte erstmal kaum Neues. Die Fragen der Oppositions-Politiker drehten sich häufig im Kreis, und selbst Milbradts härtester Kritiker, der SPD-Mann Karl Nolle, konzentrierte sich auf pikante Details am Rande und nicht auf den Kern. Denn den Nachweis, dass Milbradt persönlich über die Risiken in Milliardenhöhe informiert war, konnte keiner führen. Und gleichzeitig gelang es dem Regierungschef, sich als Retter in der Landesbank-Not darzustellen.

So erfolgreich der Milbradt-Auftritt auch gewesen sein mag, für reichlich böses Blut sorgte der Ausschuss trotzdem. Die Tatsache, dass es mal wieder Nolle vom kleineren Koalitionspartner SPD war, der am eifrigsten die Messer gegen Milbradt wetzte, brachte die CDU in Rage. „Fragen unter der Gürtellinie“ hätten in einem politischen Bündnis nichts verloren, meinte Generalsekretär Michael Kretschmer, Nolle habe „sich selbst disqualifiziert“. Und selbst der ansonsten moderate CDU-Fraktionschef Fritz Hähle meldete sich anschließend zu Wort und sprach süffisant vom „Koalitionsfreund“ Nolle – was soviel heißen soll wie: der übelste Feind.

Beides gehört seit Jahren zum festen Bestandteil des sächsischen Polit-Rituals, mittlerweile aber wird es zur handfesten Belastung fürs Bündnis. Denn so gestärkt Milbradt am Dienstagabend auch aus der Sitzung des U-Ausschusses herausgehen konnte, so sicher ist, dass Nolle nicht nachlassen wird. „Ich werde auch weiterhin nicht mit meiner Meinung hinterm Berg halten“, sagt er seit Monaten, und die SPD stehe sowieso hinter seiner Art von Politik. Dabei ist die CDU längst drauf und dran, die Koalition mit der SPD insgesamt in Frage zu stellen. Bereits für heute sind Krisengespräche zum Thema geplant, auf höchster Ebene. Und wieder mal geht es um die bange Frage: Wie weitermachen, wenn gerade SPD-Vertreter die Speerspitze der Opposition sind?

Hintergrund sind erneut böse Randnotizen von Nolle. Auch wenn er im Ausschuss wenig Erhellendes zum Landesbank-Debakel selbst beitragen konnte, hat er die CDU doch mit einigen Fragen entscheidend genervt – wie der nach der Rolle des Milbradt-Vertrauten Bernd Thode aus dem Finanzministerium, oder auch der nach privaten Engagements des Ministerpräsidenten rund um das SachsenLB-Hochhaus in Leipzig.
Von JÜRGEN KOCHINKE