Karl Nolle, MdL

Süddeutsche Zeitung, Seite 4, 08.04.2008

Karl Nolle SPD-Abgeordneter in Sachsen mit Sinn für unbequeme Fragen

Sein Vorbild ist Willy Brandt: "Er hat mal gesagt, Demokratie ist die Kontrolle von Macht", meint Nolle - "das nehme ich wörtlich".
 
Der Mann stellt gern harmlose Fragen. Doch damit hat Karl Nolle schon manches politische Erdbeben in Sachsen ausgelöst. Den Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf fragte der SPD-Landtagsabgeordnete vor Jahren nach Kindergartenfahrten, die mit dem Dienstwagen des Landesvaters absolviert worden waren - am Ende kosteten diese und noch ein paar andere Kleinigkeiten Biedenkopf den Posten als Ministerpräsident. Auch eine sächsische Landesministerin, ein Staatssekretär und verschiedene Bankvorstände stolperten schon über Nolles simple, aber hartnäckige Fragen. In diesen Tagen bringt der SPD-Politiker nun den amtierenden Ministerpräsidenten Georg Milbradt in Schwierigkeiten, und wieder einmal geht es um eine vermeintlich ganz einfache, aber um so gefährlichere Frage: Das private Finanz-Engagement des Ministerpräsidenten steht auf dem Prüfstand.

"Vier Jahre lang", sagt Nolle, habe er darauf gewartet, das Thema endlich anzuschneiden. Nun kostet er genüsslich die Aufregung aus, die um die von ihm gestellten Fragen entstanden ist. Hat Milbradt vielleicht Insider-Geschäfte getätigt, als er - seinerzeit noch Finanzminister und damit Verwaltungsratschef der SachsenLB - sich privat an einem Immobilienfonds für das Bürogebäude der Bank beteiligte, wie die Opposition jetzt klagt? Oder waren das alles "ganz normale" Geschäfte, die jeder sächsische Bürger hätte tätigen können, wie Milbradts Staatskanzlei behauptet. Der Abgeordnete Nolle kann die Diskussionen in Ruhe abwarten, immerhin hat er die Fakten auf den Tisch gelegt.

Das geschah im Untersuchungsausschuss des Landtages zur Aufklärung von möglichen Verfehlungen im Zusammenhang mit der Krise der SachsenLB. Als Obmann der Sozialdemokraten hat Nolle in dem Ausschuss schon manche Ungereimtheit aufgedeckt - und dies nicht immer zur Freude seiner Genossen. Der 63-jährige Politiker gilt als unbequem, auch in der eigenen Partei. Geboren in Niedersachsen, einst Juso-Chef und zeitweilig Geschäftspartner von Gerhard Schröder, als dieser noch Rechtsanwalt war, hatte man Nolle wegen politischer Differenzen 1986 aus der SPD ausgeschlossen. 1998 trat er wieder ein. Inzwischen war er längst erfolgreicher Geschäftsmann geworden.

1989, gleich nach der Wende, war der Niedersachse, dessen verwandtschaftliche Wurzeln nach Thüringen und Sachsen reichen, mit seiner Frau Christl gen Osten gegangen. Die beiden kauften eine marode Druckerei in Dresden, gründeten eine Stadtzeitung und modernisierten die Technik. Seit Jahren ist Nolle nun Chef des sächsischen Druckereiverbandes, seine Firma gilt als Musterbetrieb, auch und gerade für Sozialdemokraten, denn Nolle gelang es, einen Teil der Mitarbeiter zu Kapitaleignern zu machen.

Der Mann ist eine Art sozialdemokratisches Urgestein: Sein Urgroßvater saß im Gefängnis wegen des Anklebens von SPD-Plakaten, seine Großmutter arbeitete im Untergrund gegen die Nazis und er selbst kämpft für die Aufklärung. Sein Vorbild ist dabei Willy Brandt: "Er hat mal gesagt, Demokratie ist die Kontrolle von Macht", meint Nolle - "das nehme ich wörtlich".
Christiane Kohl