Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 08.04.2008

Sächsisches Koalitions-Harakiri

Frust bei der CDU, Streit mit der SPD: Milbradts Bankgeschäft löst Unmut im Bündnis aus
 
Dresden. Es war bloß ein Zufall, Symbolwert aber hatte die Visite des hohen Gastes schon. Kein Geringerer als Alt-Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) stattete dem Landtag gestern einen Besuch ab, mitten in der Debatte um die politische Zukunft von Georg Milbradt (CDU). Doch nicht das Privatgeschäft seines ungeliebten Nachfolgers bei der Landesbank war wohl der Grund für den Auftritt von „König Kurt“ an alter Wirkungsstätte, sondern eine Sitzung des Kultursenats – eine Veranstaltung jenseits des parteipolitischen Geschäfts.

Für Aufsehen sorgte es trotzdem. Seit bekannt geworden ist, dass Milbradt und seine Frau Angelika an einem Fonds für das SachsenLB-Hochhaus beteiligt sind und dabei auch einen Kredit von der Landesbank erhalten haben, fühlen sich viele an das unrühmliche Ende Biedenkopfs erinnert. Auch damals brachten immer neue Negativmeldungen die CDU-Spitze in Not – und Biko-Gegner Milbradt an die Macht. Heute allerdings erscheint Biedenkopf wie eine Person gewordene Instanz: Schließlich war er es, der 2005 Milbradt wegen der SachsenLB indirekt zum Rücktritt aufgefordert hatte – und nun für sich in Anspruch nehmen kann, er habe es schon immer gesagt.

Gestern Abend wurde nun bekannt, dass das Gesamtvolumen der Privatgeschäfte der Familie Milbradt bei der Landesbank nicht rund 100 000 Euro beträgt, wie bisher eingeräumt – sondern 368 000 Euro. Nach Angaben aus der Staatskanzlei ist die Frau des Regierungschefs gleich an zwei Fonds beteiligt, neben dem bekannten rund um das Landesbank-Hochhaus mit rund 56 000 Euro auch an der „Ariadne KG“ mit über 255 000 Euro. Dafür hat die SachsenLB der Familie Milbradt einen Gesamtkredit über rund 172 000 Euro gewährt.

In Sachsens CDU hat diese Debatte Spuren hinterlassen. Die Basis ist frustriert, und nicht wenige – wie die CDU-Abgeordneten Friederike de Haas oder Thomas Schmidt – sehen „Klärungsbedarf“. Gleichzeitig verweisen sie auf den möglichen Imageschaden im Kommunalwahlkampf. „Ich befürchte Folgen für die Sachsen-CDU insgesamt“, sagt Ex-Kultusminister Karl Mannsfeld (CDU) zu Milbradts Privatgeschäft bei der SachsenLB. „Für den Normalbürger ist nicht erkennbar, dass er bei solch einer Begünstigung gleichbehandelt worden wäre.“
Der CDU-Abgeordnete Thomas Hermsdorfer beklagt vor allem den inneren Zustand der CDU: „Wir verfrühstücken gerade die Sympathien und das sächsische Selbstbewusstsein, das wir in 17 Jahren aufgebaut haben.“ Ex-Minister Matthias Rößler (CDU) sieht „die persönliche Integrität“ von Milbradt in Frage gestellt und fordert ebenfalls eine Erklärung.

Sorgen machen sich gerade die Dresdner Christdemokraten, wo Sozialministerin Helma Orosz den OB-Stuhl für die CDU erkämpfen soll. So ist es kein Wunder, dass für CDU-Kreischef Lars Rohwer die Debatte zur Unzeit kommt. Zwar hält er das Geschäft von Milbradt für nicht anrüchig, parteiinternen Zwist aber schon: „Das ist politischer Selbstmord“, sagt er, das „Zeitfenster“ für Kritik öffne sich erst nach der Kommunalwahl.

Dabei sind die Vorwürfe gegen Milbradt selbst halbwegs bekannt. So berichtete diese Zeitung vor vier Jahren über einen persönlichen Kredit des Ministerpräsidenten bei der Landesbank (siehe Ausriss). Die Details des Deals aber blieben damals im Dunkeln. Eben diese sowie die Attacken des SPD-Manns Karl Nolle sorgen jetzt für Missstimmung auch in der Koalition. So warf CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer in einem Interview mit dieser Zeitung der SPD eine „Doppelstrategie aus koalieren und opponieren“ vor – was den kleinen Koalitionspartner in Rage bringt.

Der Vorwurf sei „völlig aus der Luft gegriffen“, kontert SPD-Generalsekretär Dirk Panter und stellt sich hinter Nolle. „Man darf nicht den Boten einer schlechten Nachricht bestrafen, sondern muss die schlechten Nachrichten aus der Welt schaffen.“ Der CDU wirft er vor, mit Ablenkungsmanövern „aus einem großen Problem ein noch größeres zu machen“. Die SPD jedenfalls stehe zum Regierungsbündnis.

Dennoch erinnert die Koalition derzeit eher an Harakiri denn an souveränes Regieren – was nicht zuletzt am Zustand der sie tragenden Fraktionen liegt. Während die CDU hin und her schwankt zwischen Phlegma und Entsetzen, ist die SPD zerrissen. So ist es ein offenes Geheimnis, dass gerade SPD-Landeschef Thomas Jurk mit dem aggressiven Politikstil Nolles seine Probleme hat. Doch klar ist ebenso: Ein Teil der Partei steht hinter dem schwergewichtigen Druckereibesitzer, und einfangen lässt er sich sowieso nicht, auch nicht von Parteichef Jurk.

Damit dürfte sich am gereizten Klima auch in Zukunft wenig ändern. Und so kann CDU-Fraktionschef Fritz Hähle seine letzte Mitteilung zur aktuellen Lage getrost aufheben. Nolles persönliche Angriffe, schreibt Hähle darin, seien „schlechter politischer Stil“. Es wird nicht das letzte Mal gewesen sein, dass der CDU-Mann das moniert.
Von Sven Heitkamp und Jürgen Kochinke