Karl Nolle, MdL

Freitag - Die Ost-West- Wochenzeitung, 11.04.2008

Georg Milbradts 9,x-Prozent-Problem

Nach Affären um die Landesbank keult die SPD gegen den CDU-Regierungschef - aber nicht gegen die Koalition
 
Die Kreditbranche hat alle Hoffnungen auf ein rasches Ende der Finanzkrise fahren lassen. Der Bankenverband erwartet im Laufe des Jahres weitere Milliardenverluste und wirft den Managern jetzt Versagen vor. Bankvorstände tragen aber nicht allein die Verantwortung - auch die Politik gerät immer stärker unter Druck.

Die Lunte wurde eher beiläufig gelegt und zündete mit Verzögerung. Ob er private Geschäfte mit der Sächsischen Landesbank (SLB) getätigt habe, wurde Georg Milbradt, Ministerpräsident des Freistaats, am Ende seiner 15 Stunden währenden Vernehmung in einem Untersuchungsausschuss des Landtags am Dienstag voriger Woche vom SPD-Abgeordneten Karl Nolle gefragt. Er sei an einem Fonds beteiligt und habe dafür einen Kredit von der Bank erhalten, gestand Milbradt - allerdings, wie er betonte, "zu ganz normalen Konditionen".

Vier Tage später kam es zur Detonation. Die private Geldanlage des Regierungschefs füllte Zeitungsspalten. Im Detail wurde dargelegt, wie Milbradt als sächsischer Finanzminister, der qua Amt auch dem Verwaltungsrat der Landesbank vorstand, 1997 in einen geschlossenen Fonds investierte, der den Neubau des SLB-Hochhauses in Leipzig finanzierte und eine sichere Rendite von 9,3 Prozent abwarf. Während die Staatskanzlei erklärte, es sei gut, dass der Regierungschef auch privates Vermögen im Freistaat anlege, verlangte die Opposition Milbradts Rücktritt. Es handle sich um ein "klassisches Insidergeschäft zum Zweck der persönlichen Bereicherung", sagte André Hahn, Chef der Linksfraktion. Und in der Koalition krachte es wieder einmal gewaltig. Die SPD drängte auf eine persönliche Erklärung Milbradts; dessen Mann fürs Grobe, CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer, giftete zurück, es handle sich um "eine Kampagne der SPD".

Der Wirbel zeigt: Die Einschläge kommen in immer dichterer Folge. Erst im Dezember war über das politische Schicksal von Georg Milbradt spekuliert wurden. Nachdem sich eine Dubliner SLB-Tochter mit riskanten Geschäften am US-Immobilienmarkt verhoben hatte, war die Bank überstürzt an die Landesbank Baden-Württemberg veräußert worden. Das Geschäft hat seinen Preis: Sachsen übernahm eine Bürgschaft über 2,75 Milliarden Euro, die nach Ansicht nicht nur der bündnisgrünen Fraktionschefin Antje Hermenau mit Sicherheit fällig wird. Milbradt habe, ätzt ihr FDP-Kollege Holger Zastrow jetzt, die "Milliardenverluste der Landesbank-Pleite dem Steuerzahler aufgebürdet", aber eine "private Rendite von 9,3 Prozent erzielt". Damit sei ein "neuerlicher Tiefpunkt politischer Moral in Sachsen erreicht".

Milbradt hat ein Problem - nicht zuletzt im Umgang mit seinem 9,8-Prozent-Partner - so viel bekam die SPD bei der Landtagswahl 2004. Man könne sich "ein Bild machen über Politik, Moral, Verantwortung und Integrität der politischen Elite in Sachsen", erklärt SPD-Mann Nolle. Es ist nicht das erste Mal, dass er Milbradt derart scharf angreift. Im Januar hatte er ihm vorgeworfen, er habe "die Rolle eines oberklugen Dickkopfes eingenommen, der im Zweifel eher seine mutlose Partei und die Koalition scheitern lässt, als für das Desaster persönlich geradezustehen".

Der Vorwurf, die Koalition aufs Spiel zu setzen, wird von der anderen Seite vor allem gegen Nolle erhoben. Der gewichtige Unternehmer, der in Sachsen eine Art "Chefaufklärer" ist und schon bei der Demontage von Milbradt-Vorgänger Kurt Biedenkopf beteiligt war, gilt der Union als Quertreiber im Bündnis. Es gebe, schimpft Kretschmer, "Leute in der SPD-Fraktion, die diese Koalition hassen und alles tun, um ihr zu schaden".

In gewisser Weise gehören solche Tiraden freilich zur Folklore der sächsischen Koalition. Nur unwillig hatte die CDU, die unter Führung des "kleinen Königs" Biedenkopf den Freistaat 14 Jahre lang allein regiert hatte, aber im Herbst 2004 auf 41 Prozent einbrach, ein Bündnis mit der sogar auf Zwergenmaß gestutzten SPD gebildet. Milbradt beschwichtigte indes seine Parteifreunde: Sachsen zeige, tönte er nach der Bundestagswahl 2005, wie man auch in einer großen Koalition CDU-Politik betreibe.

Nicht zuletzt wegen solcher herablassenden Äußerungen holperte das Regierungsbündnis häufig. Weil die CDU sich nur mühsam damit abfand, nicht mehr allein zu regieren, die SPD sich aber oft untergebuttert fühlte, fetzten sich die Koalitionäre in teils scharfem Ton über ein Hochschulgesetz, ein Energiekonzept oder Details der Gebietsreform. Das Debakel um die Landesbank führte sogar zu einer Mahnung von Fraktionschef Martin Dulig, die als verdeckte Rücktrittsforderung gelesen wurde: Milbradt solle, sagte er zu Weihnachten, über die Feiertage "in aller Ruhe" über seine Verantwortung nachdenken.

Die SPD betont allerdings auch, dass die Landesbank ein persönliches Problem Milbradts, nicht aber eines der Koalition sei. Der kleine Regierungspartner ist bemüht, die Angriffe zu dosieren und das Bündnis, in dem man sich etliche Erfolge etwa in der Bildungspolitik zugute hält, nicht in Frage zu stellen. Im Gegenteil: Dulig erklärt, er könne sich eine Fortsetzung nach 2009 vorstellen. Und selbst Nolle, der im Ausschuss mit bissigen Fragen den Ärger der CDU erregte, wird mit der Äußerung zitiert, er "liebe die Koalition" - "aber nicht den Ministerpräsidenten".

Da freilich geht es ihm wie vielen in der CDU-Fraktion. Der Unmut, der sich nicht zuletzt wegen der Bankpleite unter den Abgeordneten angestaut hat, könnte Milbradt wesentlich gefährlicher werden als das dauernde Sticheln des Koalitionspartners. Geliebt wurde der Sauerländer, dem das Charisma und der Charme seines Vorgängers fehlen, in der Partei nie. Als Finanzfachmann, der Sachsen als Minister und Regierungschef zum Musterknaben in Ostdeutschland gespart hatte, war er indes höchst anerkannt. Dieser Ruf ist durch das Bankdebakel beschädigt - und wird durch die jüngsten Schlagzeilen weiter ramponiert. Vielen CDU-Mitgliedern ist höchst unwohl bei der Vorstellung, Milbradt im September zum Spitzenkandidaten für die Wahl 2009 zu küren. Weitere Nachrichten wie die über dessen 9,3-Prozent-Rendite könnten dafür sorgen, dass es dazu gar nicht mehr kommt.