Karl Nolle, MdL
Frankfurter Rundschau, 09.04.2008
Porträt: Sächsische Abrissbirne
Der Mann, gut 120 bis 130 Kilo schwer, ist weder Schmied noch Eisengießer. Trotzdem gibt es in Sachsen keinen versierteren Fachmann für Weißglut als ihn: Karl Nolle, 63 Jahre alt, Druckereibesitzer und SPD-Landtagsabgeordneter. Nolle treibt Menschen zur Weißglut.
Am liebsten Christdemokraten. In Sachsen regiert die CDU seit 2004 todunglücklich mit der sehr viel kleineren SPD. Ministerpräsident Georg Milbradt hockt auf dem absteigenden Ast. Die CDU würde ihn gern absägen, weiß aber nicht, wie. Eine kleine politische Tragödie in Zeitlupe.
In solchen Situationen wird Nolle aktiv. Er ist eine Art parlamentarische Abrissbirne. 2001 fütterten ihn gut informierte Gegner des Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf so lange mit Material über dessen Amtswohnung, das Privathaus in Bayern, den Gebrauch von Dienstwagen und Ikea-Rabatte, bis er schwer genug war, "König Kurt" mit kleinen Anfragen vom Thron zu fegen. Später brachte er eine CDU-Ministerin zu Fall.
Jetzt ist Milbradt dran. Den Sozialdemokraten Nolle stört es nicht, den Ministerpräsidenten der CDU/SPD-Koalition zu zerlegen. Seine SPD lässt ihn gewähren, stoppen könnte sie ihn ohnehin nicht. Nolle hat sich zur Ein-Mann-Opposition in Dresden hochgearbeitet - wirkungsvoller als Linke, Grüne, FDP und NPD zusammen.
1989 zog er mit seiner Frau Christel von Hannover nach Dresden, gründete ein erfolgreiches Druckhaus. Er ging für die SPD in den Landtag, und die war zunächst ganz froh darüber. Das änderte sich, als sie merkte, wie wenig Nolle zum Mannschaftsspiel taugt. Die SPD-Fraktion mag ihn eigentlich nicht, die Basis der 4500 Mitglieder schwachen Partei hält ihn für Robin Hood. Also bleibt er.
Im Untersuchungsausschuss zur notverkauften Landesbank piesackte Nolle Milbradt mit Enthüllungen über Privatgeschäfte. Geschäfte, die der Ministerpräsident und seine Frau ausgerechnet mit der Bank tätigten, die Milbradt einst als Finanzminister kontrollierte und die 2007 holterdipolter an die SüdwestLB abgestoßen werden musste.
Das war nicht illegal. Aber die CDU fürchtet die öffentliche Wahrnehmung: Milbradts machten privat Kasse mit einer Bank, für die jetzt Sachsens Steuerzahler mit 2,75 Milliarden Euro bürgen.
Vielleicht hätte sich die CDU schon von Milbradt getrennt, würde nicht ausgerechnet Nolle ihm dauernd zusetzen. Es ist verzwickt: Sie hassen und sie füttern ihn. Wer den in seinen Reihen habe, brauche keine Feinde, heißt es in der Regierung. Nolle, der heute 63. Geburtstag feiert, dürften derlei Sätze nicht stören. Er reist nach eigenem inneren Kompass durch die Politik. CDU hin, SPD her. "Chefaufklärer" hat ihn eine Zeitung mal ehrfurchtsvoll genannt. Nolle mag den Titel. Es ist die Rolle seines Lebens.
VON BERNHARD HONNIGFORT
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Sorry
Am 8. April hatten wir Karl Nolle ist etwas älter gemacht, als im Porträt (9.4., S. 10) behauptet: Er feierte nicht am 9. April, sondern am 9. März seinen 63. Geburtstag.