Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 14.04.2008

Krisengipfel zur Milbradt-Nachfolge abgesagt

CDU-Spitzen wollten Regierungschef zum freiwilligen Rückzug bewegen / Neue Attacken von SPD-Mann Nolle
 
Dresden. Seit Wochen steht Sachsens Regierungschef Georg Milbradt (CDU) wegen der SachsenLB-Affäre auch CDU-intern in der Kritik. Wenige Tage vor der Landtagssitzung zum Thema hat sich die Lage am Wochenende entscheidend zugespitzt. So wollte eine Gruppe von führenden CDU-Mitgliedern aus Sachsen die schwelende Debatte um die Spitzenkandidatur für die Landtagswahl 2009 beenden – und Milbradt zum Rückzug bewegen.

Nach Informationen dieser Zeitung ging die Initiative von CDU-Fraktionschef Fritz Hähle aus, für gestern war ein Treffen mit fünf, sechs Spitzenvertretern geplant. Dabei habe Konsens bestanden, dass Finanzminister Stanislaw Tillich (CDU) das Spitzenamt von Milbradt übernehmen solle, hieß es aus CDU-Kreisen in Dresden. Milbradt selbst soll davon erst am Freitag erfahren haben.

Am Ende aber konnten die Teilnehmer das Wochenende für andere Dinge nutzen, das Gespräch wurde kurzfristig abgesagt. Spekuliert wurde, dass Milbradt signalisiert habe, er sei derzeit zu einem Rückzug nicht bereit. „Es geht nur mit Milbradt“, hieß es dazu aus führenden CDU-Kreisen, „sonst macht es keinen Sinn.“ Alles laufe nun auf eine mögliche Entscheidung an diesem Dienstag oder Mittwoch hinaus.

Morgen endet die ultimative Forderung der CDU, nach der sich die SPD eindeutig zur Koalition bekennen soll. Am Mittwoch beginnt die dreitägige Plenartagung in Dresden. Letztlich aber geht es um die Frage, ob Milbradt „freiwillig“ den Weg für ein geregeltes Verfahren frei macht, um der Union eine zermürbende Demontage wie im Fall von Milbradt-Vorgänger Kurt Biedenkopf (CDU) zu ersparen.
Dabei allerdings sind den CDU-internen Milbradt-Kritikern die Hände gebunden. So bleibt dem Ministerpräsidenten immer noch ein letztes Mittel: Er könnte die beiden SPD-Minister im Alleingang aus dem Kabinett schmeißen und die Koalition beenden. Zwar hat die Bundes-CDU hinter Kanzlerin Angela Merkel signalisiert, dass sie dies ablehnt. Für Milbradt aber hätte eine CDU-Minderheitenregierung einen entscheidenden Vorteil: Für die mögliche Wahl eines neuen Regierungschefs braucht die Union die Stimmen der SPD.

Mitten in diese aufgeheizte Stimmung platzte am Wochenende die Meldung, die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) gehe davon aus, dass „einige hundert Millionen“ der sächsischen Bürgschaft fällig würden – im besten Fall. Im schlimmsten rechnet LBBW-Chef Siegfried Jaschinski gar mit 1,2 Milliarden. Dann aber würde die Rücklage Sachsens in Höhe von 832 Millionen Euro nicht ausreichen.

Dies nahm SPD-Mann Karl Nolle zum Anlass, erneut zur Attacke auf Milbradt zu blasen. Nach seinen Angaben gehen Bankenkreise gar davon aus, dass die gesamte Bürgschaft in Höhe von 2,75 Milliarden fällig werden könnte. Sachsen drohe finanzielle Handlungsunfähigkeit. Nach den Querelen der vergangenen Tage müsste die CDU die Koalition damit eigentlich beenden. Ob Milbradt diesen Schritt geht, ist offen. Denn dann hätte er nicht nur Sachsens CDU-Spitze brüskiert, sondern die Kanzlerin gleich mit.
Jürgen Kochinke