Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 16.04.2008

„Meine Familie trägt das alles mit“

Stanislaw Tillich über seine neue Aufgabe, Georg Milbradt, die Zukunft der Koalition und die Waldschlößchenbrücke.
 
Herr Tillich, hinter Ihnen liegen ereignisreiche Tage. Wann war Ihnen erstmals klar, dass Sie Sachsens neuer Ministerpräsident werden können?

In einem persönlichen Gespräch mit Ministerpräsident Georg Milbradt am Dienstag voriger Woche wurde mir klar, dass ich nicht nur in der näheren Wahl war, sondern offenbar auch sein Favorit.

Über die Nachfolge-Frage haben in der CDU alle Spitzen von Partei und Fraktion beraten. Wie war die Atmosphäre in diesen Runden?

Anders als in der Vergangenheit wurde das Gespräch viel offener geführt. Das macht Mut und stimmt mich zuversichtlich, diese Aufgabe anzunehmen. Das war ein völlig neuer Zug, an dem übrigens der scheidende Ministerpräsident einen maßgeblichen Anteil hatte.

Sie kennen Georg Milbradt schon seit Jahren. Haben Sie jetzt noch eine ganz neue Erfahrung mit ihm gemacht?

Nein. Ich bin Minister in seinem Kabinett, und er hat seinen Wahlkreis in der Gegend, wo ich lebe. Wir haben in der Politik also viel miteinander zu tun, weshalb ich ihn tatsächlich sehr gut kenne. Als Ministerpräsident hat er aber immer versucht auszugleichen. Und was die Art und Weise des jetzigen Wechsels betrifft, kann man das nur mit einem Wort beschreiben: selbstlos. Er hat dabei an die Partei und deren Zukunft gedacht.

Gab es keinen anderen Ausweg aus der Krise?

Ich glaube, Georg Milbradt hat erkannt, dass er es zwar noch einmal hätte schaffen können, obwohl die Chancen dafür geringer waren als vor ein paar Wochen.

Freuen Sie sich, dass Georg Milbradt seiner Wahlheimat Sachsen künftig verbunden bleibt?

Zunächst ist er ja noch nicht aus der sächsischen Politik ausgeschieden. Ich gehe davon aus, dass er sich nicht verschließen wird, wenn auch künftig sein Rat gefragt ist. Erfreulich ist, dass man ihm bereits jetzt auch viel Anerkennung zollt, für das, was er in den vergangenen Jahren für den Freistaat getan hat

Wie hat eigentlich Ihre Frau reagiert, als sie erfuhr, dass Sie sich für das Amt des Ministerpräsidenten bewerben wollen?

Auch ihr ist die Bedeutung der Aufgabe bewusst, zumal dies zu Einschnitten im persönlichen Umfeld führen wird. In der Sache sind wir uns aber einig, und ich habe ihre volle Unterstützung. Und auch wenn meine beiden Kinder bereits erwachsen sind, ist mir doch wichtig, dass auch sie meine Entscheidung mittragen.

Wie wichtig ist es für dieses Land, dass der nächste Regierungschef ein Sorbe ist und in Sachsen aufgewachsen ist?

Als erstes muss es immer um die Sache gehen. Von Abstammungsdebatten halte ich nichts. Anderseits finde ich den Wunsch nach einem Landsmann als Regierungschef legitim. Der Fakt, dass ich Sorbe bin, hilft sicherlich bei den guten Beziehungen zu unseren Nachbarn in Polen und Tschechien.

Noch sind es sechs Wochen, bis Sie sich im Landtag zur Wahl stellen. Was muss bis dahin noch alles erledigt werden?

Zunächst erfülle ich bis zum letzten Tag meine Aufgaben als Finanzminister, obwohl ich weiß, dass ich jetzt auf verschiedenen Ebenen gefordert bin. Im CDU-Vorstand werden wir demnächst mit allen Kreisvorsitzenden beraten. Ich werde zudem vor dem Landesparteitag viele Gespräche führen, um das Vertrauen der Partei einzuwerben.

Parallel dazu gibt es natürlich Gespräche mit dem Koalitionspartner SPD und der Opposition. Ich habe mich für ein Miteinander ausgesprochen. Dies sind die ersten Schritte dafür.

Das heißt konkret, Sie wollen einen anderen Stil?

Das reinigende Gewitter in der Koalition in der vergangenen Woche hat doch vielen gezeigt, dass es Grenzen im Umgang miteinander gibt und wo diese Grenzen sind. Das gilt für die Koalition, hat aber auch insgesamt etwas mit der politischen Kultur im Land zu tun. Wenn sich politische Partner streiten, hat niemand etwas davon. Es ist also an uns, Probleme auf andere Art und Weise zu lösen.

Um welche inhaltlichen Dinge muss sich die CDU-SPD-Koalition jetzt vorrangig kümmern?

Die Grundlinien sächsischer Aufbaupolitik müssen bestehen bleiben. Wir müssen die Kreis- und Verwaltungsreform umsetzen – ohne die Bürger zu belasten. Auch gilt weiterhin, keine neuen Kredite aufzunehmen und Schulden weiter abzubauen. Das sichert uns einen wichtigen Handlungsspielraum.

Trotz eines Milliarden-Risikos durch die Landesbürgschaft für die Sachsen LB?

Wir haben bisher keinerlei Ausfälle bei der Landesbank. Der aktuelle Haushalt ist nicht belastet, und es gibt keine Einschränkungen im öffentlichen Leben. Zudem haben wir Vorsorge getroffen. Die Bürgschaft bleibt natürlich ein Thema für uns, falls sie in Anspruch genommen wird.

Stichwort Notverkauf der Landesbank. Hat sich die Frage der politischen Verantwortung mit mittlerweile zwei Rücktritten faktisch erledigt?

Es hat Konsequenzen gegeben. Die Vorstände und der Finanzminister sind zurückgetreten. Der Ministerpräsident hat schnell und mit großem Sachverstand die Probleme gelöst. Er hat mit dem bevorstehenden Amtswechsel die Diskussion beendet.

Wenn in Sachsen künftig tatsächlich Geld übrig bleibt, wofür soll es ausgegeben werden?

Wir müssen Arbeitnehmer stärker dabei unterstützen, flexibler auf die Anforderungen des Arbeitsmarkts reagieren zu können. Wir wünschen uns zum Beispiel mehr Kinder. Gleichzeitig sind aber die Arbeitswege sehr weit und oder die Schließzeiten von Kindergärten zu früh. Oder nehmen sie die heutigen Anforderungen an das Ausbildungsprofil. Hier müssen wir die jungen Leute mehr motivieren. Ich höre häufig von Unternehmern, dass sie qualifizierte Bewerber suchen.

Sehen Sie die Chance, Sachsen in solchen und anderen Punkten wieder an die Spitze zumindest der Ost-Länder zu führen?

Wir sind an der Spitze der Ostdeutschen Länder. Wir haben die solideste Wirtschaft und nach der Kreisgebietsreform die zukunftsfähigste Verwaltungsstruktur. Darauf können wir im Freistaat wirklich stolz sein. Bei allen öffentlichen Diskussionen der letzten Monate sollten wir nicht so tun, als hätten wir diese Stärke nicht. Es geht also darum, Gutes zu bewahren und dort besser zu werden, wo das notwendig ist. Es muss uns zum Beispiel gelingen, für die Arbeitsplätze, die bereits geschaffen worden sind, qualifizierte Arbeitskräfte zur Verfügung zu stellen. Dazu gehört eine gute Schul- und Berufsschulausbildung genau so wie eine gute Hochschulausbildung.

Sie wohnen im Kreis Kamenz und arbeiten in Dresden. Freuen Sie sich auf die neue Waldschlößchenbrücke?

Mein Arbeitsweg führt nicht darüber, aber wie wir wissen, freut sich die Mehrheit der Dresdner darüber.

Das Gespräch führten Gunnar Saft und Annette Binninger