Karl Nolle, MdL
stern.de, 09:45 Uhr, 15.04.2008
König kalte Schnauze
Ein Kommentar von Hans Peter Schütz zum Rücktritt von Milbradt
Der Rücktritt des sächsischen Ministerpräsidenten Georg Milbradt gehört zu jener Kategorie, bei der man fragen muss: Weshalb erst jetzt? Weshalb so spät? Sein CDU-Landesverband jedenfalls ist froh darüber, ihn endlich los zu sein.
Die Wahrheit im Fall Milbradt ist, dass er politisch und moralisch längst am Ende war. Seinen Hut hätte er spätestens nehmen müssen, als offenbar geworden war, dass unter seinen Augen die Sächsische Landesbank in ein finanzielles Debakel gelaufen war. Die Bank ist pleite, musste an Baden-Württemberg verkauft werden, und Sachsen muss für die missglückten Geschäfte mit 2,75 Milliarden Euro bürgen. Kurz, die Steuerzahler müssen am Ende zahlen.
Man muss nur einmal die eindeutigen Fakten sprechen lassen: Milbradt, ein erfahrener Finanzpolitiker, hatte die Landesbank erfunden. Er saß als sächsischer Finanzminister jahrelang in ihren Aufsichtsgremien. Will aber nie richtig über das riskante Treiben der irischen Banktöchter in der internationalen Finanzwelt informiert worden sein. Stellte nie die Frage, was seine Landesbank, zur Finanzierung der wirtschaftlichen Infrastruktur in Sachsen konzipiert, auf den internationalen Finanzmärkten eigentlich zu suchen hatte. Und dann will er zu seinen Zeiten als Ministerpräsident niemals auch nur das Geringste über Probleme des Instituts erfahren haben. Starker Tobak.
Wenn der Gedanke der politischen Verantwortung auch nur einen Pfifferling wert ist, dann muss sie auch in Fällen von geradezu dümmlicher Nicht-Wahrnehmung der Aufsichtspflicht gelten. Wie will ein Politiker sein Klammern ans Amt begründen, der sagt: Ich war blind, ich bin also unschuldig an der Pleite. Nichtwissen müsse doch straffrei sein. Genau so argumentierte Milbradt bis zuletzt. Frei nach der Devise: Ich bin schließlich König kalte Schnauze, mir kann doch keiner.
Man kann gut verstehen, dass die sächsische CDU froh ist, diesen Mann endlich los zu sein, der für einen beispiellosen Abstieg der Christdemokraten in einem Bundesland verantwortlich zeichnet, wo sie zu Zeiten von "König Kurt" Biedenkopf mit satter absoluter Mehrheit regieren konnten. Es war dieser Milbradt, der einst Biedenkopf aus dem Amt putschte mit dem Versprechen, danach werde alles viel, viel besser. Jetzt weiß man, dass Biedenkopf bei aller autokratischen Selbstverliebtheit gemessen am Nachfolger ein wahrer politischer Titan war. Wegen Biedenkopf gab es Gezeter, weil seine Gattin im Gästehaus der Landesregierung ein abgehobenes Regime führte, weil sie den Dienstwagen ihres Mannes freihändig nutzte und er selbst für seine Dienstwohnung eine viel zu geringe Miete gezahlt haben soll. Als diese Dinge publik wurden, gab Milbradt den großen Moralischen.
Dass Milbradt selbst private Geldgeschäfte mit der Landesbank in Leipzig betrieb und mit seiner Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds nette Rendite einfahren konnte, während er über Biedenkopf den Daumen senkte das ist ein Musterfall klassischer Scheinheiligkeit. Gewiss, was Milbradt da gemacht hat, war kein krasser Fall von Bereicherung, aber der strenge Geruch des Insidergeschäfts haftet dem Vorgang schon an.
Ein Ministerpräsident muss moralisch vorbildlich und integer agieren. Wenn das auf einen Amtsinhaber nicht zutrifft, dann muss er gehen. Wie Milbradt. Der Doppelmoralist.