Karl Nolle, MdL

Kölner Stadtanzeiger, 16.04.2008

PORTRÄT: Mit der Wucht einer Abrissbirne

Der sächsische SPD-Abgeordnete Karl Nolle
 
Der Mann, gut 120 bis 130 Kilo schwer, ist weder Schmied noch Eisengießer. Trotzdem gibt es in Sachsen keinen versierteren Fachmann als ihn: Karl Nolle, 63 Jahre alt, Druckereibesitzer und SPD-Landtagsabgeordneter, treibt Menschen zur Weißglut. Am liebsten Christdemokraten. Sein jüngstes Opfer CDU-Ministerpräsident Georg Milbradt, der am Montag seinen Rücktritt bekanntgab.

Nolle ist eine Art parlamentarische Abrissbirne. 2001 fütterten ihn die gut informierten Gegner des Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf so lange mit Material über dessen Amtswohnung, das Privathaus in Bayern, den Gebrauch von Dienstwagen und Ikea-Rabatte, bis er schwer genug war, „König Kurt" mit Kleinen Anfragen vom Thron zu fegen. Später brachte er eine CDU-Ministerin zu Fall. Jetzt war Milbradt dran.

Den Sozialdemokraten Nolle störte es nicht, den Ministerpräsidenten der CDU/SPD-Koalition zu zerlegen. Seine SPD lässt ihn gewähren, stoppen könnte sie ihn ohnehin nicht. Nolle hat sich mit den Jahren zur Ein-Mann-Opposition in Dresden hochgearbeitet. Er ist wirkungsvoller als Linke, Grüne, FDP und NPD zusammen.

Nolle sagte einmal, er habe die Sozialdemokratie mit der Muttermilch eingesogen. 1989 zog er mit seiner Frau Christel von Hannover nach Dresden und gründete ein Druckhaus, mit dem er sehr erfolgreich ist. Er zog für die kleine SPD in den Landtag und die SPD war zunächst ganz froh darüber.

Das änderte sich, als sie merkte, wie wenig Nolle zum Mannschaftsspiel taugt. Er macht, was er will. Die SPD-Fraktion mag ihn eigentlich nicht, die Basis der 4500 Mitglieder schwachen Partei hält ihn für Robin Hood.

Also bleibt er. Im Untersuchungsausschuss zur notverkauften Landesbank piesackte Nolle Milbradt mit Enthüllungen über Privatgeschäfte, die der Ministerpräsident und seine Frau Angelika Meeth-Milbradt ausgerechnet mit der Bank tätigten, die Milbradt einst als Finanzminister kontrollierte und die im Sommer 2007 holterdipolter an die baden-württembergische Landesbank abgestoßen werden musste. Was Milbradt als Privatmensch tat, war nicht illegal. Aber die CDU fürchtet die, öffentliche Wahrnehmung: Milbradts machten privat Kasse mit einer Bank, für die jetzt Sachsens Steuerzahler mit 2,75 Milliarden Euro bürgen.

Vielleicht hätte sich die CDU schon früher von Milbradt getrennt, wenn es nicht ausgerechnet Nolle gewesen wäre, der dem Ministerpräsidenten dauernd zusetzte. Es ist verzwickt: Sie mögen ihn nicht, aber sie fütterten ihn, ließen ihn die politische Drecksarbeit machen. Wer den in den eigenen Reihen habe, brauche keine Feinde, heißt es in der Dresdner Regierung. Nolle dürften derlei Worte nicht stören. Er reist nach einem eigenen inneren Kompass durch die Politik. CDU hin, SPD her. „Chefaufklärer" hat ihn einmal eine Zeitung ehrfurchtsvoll genannt. Nolle mag den Titel. Es ist die Rolle seines Lebens.
BERNHARD HONNIGFORT