Karl Nolle, MdL
Sächsische Zeitung, 30.04.2008
Ein Verfassungsschutz außer Kontrolle ist gefährlich
Karin Schlottmann über das juristische Ende der sogenannten Korruptionsaffäre
Grundstücksgeschäfte, Rotlichtmilieu und ein Mordanschlag: Aus diesem Stoff entstehen normalerweise Kriminalromane. Im Musterland Sachsen wird daraus gleich eine mittlere Staatskrise.
Die Landesregierung schiebt die Verantwortung für die Affäre, die Sachsen im vorigen Sommer zur bundesweiten Lachnummer werden ließ, auf eine übereifrige Verfassungsschützerin und einen Verschwörungstheoretiker in Polizeiuniform. Aber warum haben weder das Landesamt für Verfassungsschutz noch das Innenministerium verhindert, dass zwei kleine Beamte derart aus dem Ruder laufen?
Entweder hat das Ministerium bei der Aufsicht über den Verfassungsschutz komplett versagt. Dann muss die Regierung durch personelle Entscheidungen dafür Sorge tragen, dass sich solche miesen Intrigen einer im Geheimen operierenden Behörde nie mehr wiederholen können. Oder aber die damals politisch Verantwortlichen haben die Dinge laufen lassen, weil sich die Affäre hauptsächlich im SPD-regierten Leipzig abspielte.
Besonders bedauerlich ist es, dass auch das Kontrollgremium des sächsischen Landtags seiner Aufgabe nicht gewachsen war. Keiner der Abgeordneten des Ausschusses ist – das hat der Umgang mit den Dossiers gezeigt – fachlich kompetent genug, seiner Aufgabe gerecht zu werden. Erst ließen die Parlamentarier die Akten beinahe in ihrem Keller verrotten, um sich dann, als die Medien darüber berichteten, flugs an die Spitze der Anti-Mafia-Bewegung zu setzen. Zu keinem Zeitpunkt war das Kontrollgremium in der Lage, den juristischen Wert der Unterlagen korrekt zu beurteilen.
Wenn der Untersuchungsausschuss jetzt noch einen Sinn bekommen soll, müsste der Landtag seinen Auftrag neu definieren. Strafrechtlich ist die sogenannte Korruptionsaffäre abgehakt. Offen ist aber immer noch, wer die Missstände rund um den Verfassungsschutz zu verantworten hat. Eine Aufklärung, die von den Fraktionen mit dem gebotenen Ernst und mit Sorgfalt betrieben wird, ist dringend erforderlich.