Karl Nolle, MdL

Welt-Online, 17:04 Uhr, 15.04.2008

Koalition hofft nach Milbradts Abgang auf Stabilität

 
Georg Milbradt tritt zurück und CDU und SPD in Sachsen sprechen vom "Befreiungsschlag". Jetzt soll bis zur Landtagswahl 2009 möglichst geräuschlos regiert werden. Schon am 28. Mai aber wird es spannend: Dann soll Stanislaw Tillich zum Ministerpräsidenten gewählt werden. Ein Gegenkandidat ist schon angekündigt.

Aufatmen nach der Rücktrittsankündigung von Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) in Sachsens CDU-SPD-Koalition: Nach den monatelangen internen Querelen ist bei den Spitzen der Parteien und Fraktionen jetzt von einem „Befreiungsschlag“ und von „Neubeginn“ die Rede. Unter dem künftigen Regierungschef Stanislaw Tillich (CDU) werde ein neuer Umgangston herrschen, man kehre wieder zu den Inhalten zurück. Milbradt, der am Montag für Ende Mai seinen Rückzug von allen Ämtern abgekündigt hatte, galt dagegen als stur und eigensinnig.

Die erste Klippe, die Tillich nun zu nehmen hat, ist seine Wahl am 28. Mai im Landtag – ein Tag, der mit Spannung erwartet wird. Milbradt hatten im November 2004 fünf Stimmen der Koalitionsabgeordneten gefehlt. Ein Kandidat der NPD erhielt indes zwei Stimmen mehr, als sie Mandate hatte. Einen erneuten Eklat will CDU-Fraktionschef Fritz Hähle vermeiden, zumal die NPD wieder einen Bewerber aufstellt. „Das wird eine Nagelprobe für die CDU und die Koalition“, sagte Hähle. Er gehe aber davon aus, dass die 55 Abgeordneten Tillich einstimmig wählen.

Erwartet wird, dass Tillich auf mindestens vier Kabinettsposten neue Gesichter präsentiert. Der Nochfinanzminister muss einen Nachfolger für sein bisheriges Ressort finden. Außerdem soll Kultusminister Steffen Flath im Juni die Fraktionsführung übernehmen. Ferner könnte Tillich Innenminister Albrecht Buttolo, der in der „Korruptionsaffäre“ um angebliche Rotlichtverstrickungen in Sachsen sehr unglücklich agiert hatte, auswechseln. Mitte Juni dürfte er zudem eine neue Sozialministerin benötigen, da Amtsinhaberin Helma Orosz beste Aussichten hat, den Oberbürgermeisterposten in Dresden zu erobern.

Die Sozialdemokraten wollen den Wechsel bei der Union indes für neue Forderungen nutzen. „Es gab einen Vertrauensbruch. Jetzt brauchen wie belastbare Ansagen, was wir in den letzten 16 Monaten noch erreichen wollen“, sagte SPD-Fraktionschef Martin Dulig. In Nachverhandlungen mit Tillich wollen die Sozialdemokraten auf Verbesserungen in Sachen Arbeitsmarkt, Bildungspolitik und im Sozialbereich drängen. Dass sich die SPD ernsthaft einer Wahl des neuen Regierungschefs verweigert, ist aber kaum anzunehmen. Vielmehr sind die Koalitionspartner zum Erfolg verdammt. Die Umfragewerte der CDU sind auf 40 Prozent abgesackt – nach weit über 50 Prozent unter Kurt Biedenkopf. Und auch die SPD hat keine Alternative: Ein Bündnis als Juniorpartner unter Führung der Linken wäre nicht vermittelbar. Und nicht nur das: Nur eine geräuschlos arbeitende Regierung dürfte ernsthaft in der Lage sein, der starken NPD und der Linken bei der Landtagswahl das Wasser abzugraben.

Moderat zeigt sich jetzt auch der SPD-Abgeordnete Karl Nolle, der bisher wie kein Zweiter das Regierungsbündnis entzweit hatte. Milbradts Rücktritt sei „ein Signal für einen positiven Aufbruch“, sagt Nolle. Die Koalition habe die Chance, „für einen neuen partnerschaftlichen Stil“. Das sind neue Töne. Ausgerechnet der Koalitionspolitiker war es, der auf Milbradt wegen der Landesbankaffären Druck ausgeübt und dazu beigetragen hatte, die privaten Geschäfte des Ehepaars Milbradt mit der Landesbank publik zu machen. Seinetwegen hatte die CDU immer wieder mit der SPD-Spitze gestritten und sogar mit Koalitionsbruch gedroht.

Inwieweit Milbradt die Entscheidung zum Rücktritt ganz allein getroffen hat oder es Signale aus dem Kanzleramt gab, ist indes umstritten. Bekannt ist allerdings, dass Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel wie auch SPD-Chef Kurt Beck in der vergangenen Woche zweimal auf die Fortsetzung der Koalition gedrungen haben. In der CDU ist die Sorge um die ostdeutschen Länder groß. Nicht nur in Sachsen, auch in Thüringen und Sachsen-Anhalt drohen erhebliche Verluste. Die Personaldecke ist dünn, zumal in der Generation der 50-Jährigen. Die Aussichten, in Sachsen über 40 Prozent zu kommen, werden ohne Milbradt zwar deutlich besser eingeschätzt als mit ihm. Aber sicher ist eine Mehrheit keineswegs.
Sven Heitkamp, Mitarbeit: M.L.