Karl Nolle, MdL

Junge Welt, 08.04.2008

Milbradt ist überfällig

»Ohne Anstand und Moral« – Sachsens Linke fordert nach Bekanntwerden von Insidergeschäften Rücktritt des sächsischen Ministerpräsidenten
 
Die aus CDU und SPD bestehende sächsische Landesregierung gerät zunehmend unter Druck. Während das politische Leben im Freistaat in den letzten Monaten maßgeblich von den Auseinandersetzungen um die Aktivitäten krimineller Netzwerke und die Verstrickung von V-Leuten der Polizei in neofaschistische Gewalttaten geprägt war, ist nunmehr der sächsische Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) wiederholt selbst ins Trommelfeuer öffentlicher Kritik geraten.

Seit bekannt wurde, daß Milbradt 1996, also während seiner Zeit als Finanzminister und Verwaltungschef der Sächsischen Landesbank, gemeinsam mit seiner Frau Anteile an einem Immobilienfonds erworben hatte, mit dem eben das Gebäude der Sachsen LB finanziert wurde, läßt die Kritik der Oppositionsparteien an dem damaligen Insidergeschäft des jetzigen Ministerpräsidenten nicht nach. Insgesamt 100000 Euro soll Milbradt in den Immobilienfonds eingezahlt haben. Geld übrigens, das sich die Eheleute offenbar eigens bei der Sachsen LB geliehen hatten. Wie hoch der Kreditbetrag genau war und wie viel Gewinn die Milbradts erzielten, ist noch nicht bekannt.

André Hahn, Vorsitzender der Linksfraktion im sächsischen Landtag, forderte die Staatsregierung am Montag auf, dafür Sorge zu tragen, daß Georg Milbradt in der nächsten Sitzungswoche eine Erklärung abgibt. »Gemessen an den Vorwürfen, die zum Rücktritt Kurt Biedenkopfs führten, ist sein Nachfolger längst überfällig«, erklärte Hahn im Gespräch mit junge Welt (siehe unten). Der Linksfraktionschef warf dem Ministerpräsidenten zudem vor, aufgrund seines Immobiliengeschäftes »nicht nur gegen die guten Sitten jeglicher Bank-Aufsicht« verstoßen zu haben, sondern auch »die Grundsätze politischer Moral« in erheblicher Art und Weise zu verletzen.

Der sächsische CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer forderte die SPD indes auf, ein Bekenntnis zum gemeinsamen Regierungsbündnis abzugeben. Bereits seit geraumer Zeit fühlen sich die Christdemokraten vom SPD-Landtagsabgeordneten Karl Nolle empfindlich gestört. Nolle gehört zu den wenigen Politikern außerhalb der Linksfraktion, die sich weder in Sachen »Sachsen-Sumpf« noch in der Affäre um die Insidergeschäfte Milbradts von der Verschleierungstaktik und den Drohgebärden der CDU beeindrucken lassen. »Nun kann sich jeder ein Bild machen über Politik, Moral, Verantwortung und Integrität der politischen Elite in Sachsen. Die christliche Kategorie ›Demut‹ ist hier schon lange abhanden gekommen«, konstatierte Nolle gegenüber Pressevertretern kampfeslustig.

Die von der CDU vermutete Gefahr, daß die SPD die Koalition platzen lassen könnte, dürfte indes derzeit jeglicher Grundlage entbehren. Schon bei allen vorausgegangenen Skandalen hatten die Sozialdemokraten zwar zarte Kritik an Milbradt geübt und auch hin und wieder gedroht, die Koalition aufzukündigen, ihre Drohungen erwiesen sich jedoch bisher immer als heiße Luft. Zu sehr fürchten die sächsischen Sozialdemokraten schließlich die politische Bedeutungslosigkeit. Die ehemalige Volkspartei lag in der Vergangenheit mit nur acht Prozent der Wählerstimmen in Umfragen noch hinter der neofaschistischen NPD und könnte bei Neuwahlen höchstens darauf hoffen, Juniorpartner der immer stärker werdenden Partei Die Linke zu werden.
Von Markus Bernhardt