Karl Nolle, MdL

Freie Presse Chemnitz, 10.05.2008

Bodenhaftung: Jurk und die Polizeikelle: Die Folgen eines kurzen Aussetzers

Kommentar von Hubert Kemper
 
Die rote Kelle, die Polizeimütze: Schnell waren sie montiert, die Fotos, die gestern Sachsens Wirtschaftsminister als Hilfssheriff zeigten und den Spott verstärkten, der sich auf Zeitungstiteln über Thomas Jurk ergoss. Mit einem einzigen Wink, ausgelöst durch blank liegende Nerven, hat der stellvertretende Ministerpräsident Schlagzeilen produziert, die er in seinem Ressort mit breiter Aufgabenfächerung in den letzten Monaten nicht zustande gebracht hatte.

Jurk, der "gelernte DDR-Bürger" und Politik-Profi seit Wendezeiten, weiß um die leicht verdauliche Medienkost, die er mit seinem Aussetzer auf der Ar 4 frei Haus lieferte. Ihm selbst liegt sie schwer im Magen. Denn wer würde nicht auch gern einmal zur Kelle greifen und mit amtlichem Siegel einen Streit um drängeln und bedrängt werden entscheiden? Mit einem kurzen Aussetzer hat sich der Verkehrsminister medial Bekanntheit verschafft. Zu seinem Pech in einer Rolle, die er am meisten hasst: Abgestempelt als einer von denen da oben – abgehoben und mit Sonderrechten, die dem Normalbürger verwehrt bleiben.

Ein derartiges Zerrbild trifft einen Mann, der ganz von unten kommt, besonders. Denn Jurk will authentisch bleiben, auf Augenhöhe mit seinen Landsleuten und Genossen. So fordert es sein persönlicher Anspruch und der des SPD-Landesvorsitzenden. Das Amt des Wirtschaftsministers verlangt Souveränität. Die Bosse von Firmen und deren Verbände können unbarmherzig sein, wenn sie Schwächen entdecken. Nun ist der sensible Minister ertappt worden, wie sich selbst vergaß und die Distanz verlor, die sein Amt gebietet.

Bei der Schadensbegrenzung hat Jurk aus Fehlern anderer gelernt. Indem er seine Selbstjustiz bedauerte, entzog er allen Kritikern die Nahrung für weitere Nachforschungen. Und zugleich konnte er versichern, niemals mit Blaulicht durch die Lausitz gebraust zu sein, was man schon seit längerem gern kolportierte. Dieses Sonderrecht, das er als Verkehrsminister übrigens selbst gewährt, haben nur sein Kollege Innenminister und der Ministerpräsident.

Politisch hat die Aktion Kelle weder Jurk noch seine Partei nach vorn bracht. Im Gegenteil: Gern nimmt die CDU die Steilvorlage auf und punktet mit Hinweis auf Jurks moralische Verurteilung der Finanzgeschäfte von Ministerpräsident Georg Milbradt So müssen die SPD und ihr Vorsitzender auf das kurze Gedächtnis setzen, vielleicht auch auf einen Schuss Milde, den der Polizeieinsatz des Verkehrsminister verdient. Ob Jurk demnächst auf der Bühne des Fachpolitikers ähnlich durchschlagende Wirkung haben wird? Wir werden es beobachten.