Karl Nolle, MdL
Freie Presse Chemnitz, 08.04.2008
Milbradt legt Privatgeschäfte offen
Ministerpräsident will Zermürbungstaktik begegnen — CDU sagt Spitzengespräch mit SPD ab — Warnung von Basis
Dresden. Die Hinweise auf das zermürbende politische Ende seines Vorgängers Kurt Biedenkopf zeigen Wirkung: Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt legt nach dem Mediensturm, den Privatgeschäfte mit der Sachsen-LB ausgelöst haben, seine finanziellen Engagements mit der Landesbank offen. „Um den Eindruck zu begegnen, nur scheibchenweise weitere Engagements einzuräumen", so Regierungssprecher Peter Zimmermann, veröffentlichte die Staatskanzlei weitere Zahlen.
Danach hat sich Milbradts Ehefrau Angelika Meeth-Milbradt ebenso wie ihr Ehemann mit Kreditanteilen von 24.746 Euro am Neubau des Leipziger Sachsen-LB sowie mit 122.198 Euro an einem Sachsen-LBFonds beteiligt, der 1999 zur Finanzierung eines Airbus-Flugzeugs aufgelegt worden war. »Weitere Beteiligungen oder Kreditgeschäfte der Familie Milbradt mit der Sachsen-LB oder mit Unternehmen des Freistaates existieren und existierten nicht", betont Zimmermann. Mit seinem Offensivkurs will Milbradt möglichen weiteren Enthüllungen entgegen treten und im Vorfeld der morgigen Sitzung der CDU-Landtagsfraktion Zündstoff entschärfen.
„Da vermischt sich ein Gebräu aus Fakten, Neid und Vermutungen", gibt CDU-Fraktionschef Fritz Hähle die negative Wirkung wieder. Als Urheber einer Kampagne gegen Milbradt hat er die SPD festgemacht. „Das funktioniert nicht", klagt Hähle, „Koalitionspartner und Opposition parallel zu sein." SPD-Chef Thomas Jurk gelinge es nicht, seinen „Chefaufklärer" Karl Nolle in die Disziplin einzubinden. „Überhaupt tut Jurk so, als hätte er fürdiese Regierung keine Verantwortung", legt Hähle nach. Ein für Mittwoch geplantes Spitzengespräch mit der SPD hat die CDU abgesagt.
„Selbstbeschädigung"
SPD-Generalsekretär Dirk Panter wartet auf eine Erklärung des Ministerpräsidenten, teilt er in einer Presseerklärung mit. Eine Wertung der Vorwürfe habe seine Partei nicht gegeben. So ähnlich argumentiert auch Ex-Minister Matthias Rössler (CDU). Bisher habe er Milbradt für einen integren Politiker gehalten, äußerte sich der finanzpolitische Sprecher der Fraktion öffentlich. Rössler zählt zum kleinen Kreis der CDU-Aktivisten, die in der morgigen Aussprache deutliche Kritik äußern könnten.
In der CDU-Fraktion ist die Haltung zu ihrem Parteichef diffus. Einen offenen Aufstand wagt kein Abgeordneter, so lange ein Gegenkandidat nicht sichtbar ist. Allein Finanzminister Stanislaw Tillich wird die Bereitschaft zur Nachfolge zugetraut, falls Milbradt das Handtuch werfen sollte. Danach sieht es aber nicht aus. Eher wagt sich der Jurist Günther Schneider mit Appellen an die Geschlossenheit („Alles andere ist Selbstbeschädigung") und der Diplomkaufmann Peter Patt mit Relativierungen („Darf ein Politikernicht Kunde eines sächsischen Unternehmens sein") aus der Deckung.
Dass die Stimmung an der CDU-Basis so schlecht sei, wie im Dunstkreis des Landtages gern kolportiert wird, können Stichproben nicht bestätigen. „Irgendwann muss Schluss sein mit dem Nachkarten", fordert Georg-Ludwig von Breitenbuch, Vorsitzender des CDU-Kreises Landkreis Leipzig. Ein normales Geschäft, das jedem Bürger offen gestanden habe und von den Gremien geprüft worden sei, werde skandalisiert. „Unsere Partei muss sich wieder auf die Sacharbeit besinnen", empfiehlt der Lokalpolitiker.
„Angeschossenes Wild"
In das gleiche Horn stößt Frank Vogel, Vorsitzender der CDU im künftigen Erzgebirgskreis. „Von Politikern erwartet man etwas, das man sich selbst zubilligt", kommentiert Vogel und lenkt die Aufmerksamkeit auf die nahende Kommunalwahl. „Wir sollten uns wieder auf die Themen konzentrieren, die den Bürger bewegen", empfiehlt Vogel ein Ende der internen Debatte.
Parallelen zur Treibjagd auf Biedenkopf, die mit dessen Rücktritt endete, erkennt auch der Dresdner Politologe Werner Patzelt. „Wenn ein Wild angeschossen ist, wittert die Meute die Spur." Doch Milbradts Geldanlage ist aus seiner Sicht kein Rücktrittsgrund. „Was normale Bürger tun dürfen, dürfen auch Politiker tun", sagt Patzelt und folgert. „Wenn man dahin käme, generell für Politiker normale Verhaltensweisen für nicht statthaft zu erklären, hätte man ein wirkungsvolles Mittel, missliebige Politiker zu demontieren." Milbradt solle den „eisernen Helm" aufsetzen und die Angriffe diszipliniert parieren.
von Hubert Kemper