Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 21.05.2008

„Schnittmengen mit der Linken“ - Interview mit Karl Nolle, MdL

SPD-Mann Nolle setzt auf neuen Politikstil unter CDU-Chef Tillich – und würde doch mit Ex-PDS koalieren
 
Dresden. Der SPD-Abgeordnete Karl Nolle ist für kritische Worte bekannt – auch an die Adresse des Koalitionspartners CDU und der eigenen Partei. Eine Koalition mit der Linkspartei schließt er keineswegs aus.

Frage: Auch in Sachsen gibt es eine Debatte um ein rot-rotes Bündnis nach 2009. Wie halten Sie’s mit der Linkspartei?

Karl Nolle: Alle demokratischen Parteien müssen miteinander koalitionsfähig sein. Solche Fragen werden jedoch nach Wahlen entschieden, nie vorher.

Letztlich ist es eine Frage der Arithmetik und der politischen Schnittmengen. Für die SPD in Sachsen sind die Schnittmengen mit der Linken und den Grünen naturgemäß nicht kleiner als mit der CDU.

Die SPD auch als Juniorpartner der Linken?

Ob Junior oder nicht, das ist im Moment keine aktuelle Frage.

Ein offenes Dementi klingt anders ...

Wir sollten uns selbstbewusst darauf konzentrieren, so stark wie möglich zu werden. Und wenn das so ist, steht die Frage nicht mehr.

Was muss die SPD tun, um stärker zu werden?

Wir müssen klar erkennbar sein, mehr Wagemut zeigen, und wir müssen zurückfinden zu jenen Traditionen und Prinzipien unserer Partei, die wir während der rot-grünen Bundesregierung aufgegeben haben.

Sie meinen die Agenda 2010.

Genau. Das ist eine neoliberale Grabplatte, die wir uns selbst gemeißelt haben und für die wir bitter bestraft worden sind. Sie ist zu einer Geburtsurkunde der Linkspartei geworden. Und nun haben wir alle Hände voll zu tun, um zu den mehr als 100 Jahren sozialdemokratischer Tradition als Schutzmacht der kleinen Leute zurück zu finden und gemachte Fehler zu korrigieren.

Neben bundespolitischen Fragen: Wir kann sich Sachsens SPD profilieren?

Wir haben einen ziemlichen Wandel vollzogen. Wir sind profilierter, frecher und widerspenstiger geworden. Die Leute merken, dass wir dafür sorgen, dass Missstände nicht unter den Teppich gekehrt werden, dass wir unbestechlich sind und uns dafür einsetzen, dass Verfehlungen von Amtsträgern gleich welcher Art auch angeprangert werden.

Dieses Verständnis hat Ihr Verhältnis zur CDU nicht gerade verbessert.

Dass Demokratie immer noch stattfindet, wenn man die Mehrheit verliert, das ist eine Einsicht, mit der sich gerade die CDU sehr schwer tut. Nach 15 Jahren absoluter Allein- und Parteienherrschaft hier in Sachsen war dieses Gefühl für viele neu. Da hatte sich schwarzer Filz und eine Mentalität des vordemokratischen Gutsherrentums entwickelt.

Haben Sie Hoffnung, dass das mit dem neuen Regierungschef Stanislaw Tillich besser wird?

Auf jeden Fall. Es ist auch der große Wunsch vieler, die ich in der CDU kenne, dass sich das ändert. Diese Partei hat oft selber gelitten unter der Basta-Mentalität von Georg Milbradt. Wir haben nun die Chance, mit einer neuen, partnerschaftlichen Form des Umgangs die Aufgaben anzupacken. Die Bilanz ist sicher nicht schlecht. Wäre der Große nicht ständig versucht gewesen, den Kleinen klein zu halten, wäre noch mehr herausgekommen.

Ist Tillich stark genug, das durchzusetzen?

Bisher haben sich noch keine Charaktereigenschaften offenbart, dass er wie ein Stier durch die Gegend läuft. Ich denke, er ist eher ein sensibler und besonnener Mann. Das kann der gemeinsamen Arbeit nur nutzen.

Sie gelten aber auch nicht gerade als besonders zart besaiteter Politiker ...

Es kommt immer darauf an, bei welcher Frage man konsequent ist. Es gibt viele Punkte, wo ich kompromissbereit bin. Aber was politische Korruption und Amtsmissbrauch angeht, da bin ich kompromisslos, das stimmt. Ich denke, dass die Ereignisse der letzten Jahre mir hier Recht gegeben haben.

Apropos Amtsverfehlung: Was sagen Sie zur Kellen-Aktion Ihres Chefs Thomas Jurk auf der Autobahn?

Das war ein dummer Fehler. Vielleicht ist es verständlich, weil jeder von uns gerne mal einen Verkehrsrüpel zur Ordnung gerufen hätte. Aber es ist nun mal so, dass das Gewaltmonopol beim Staat liegt, und dafür ist die Polizei da und nicht ein Minister. Thomas Jurk hat sich dafür im Unterschied zu anderen entschuldigt. Ich wünsche mir, dass er öfter mal die politische rote Kelle rausholt und ein entschiedenes Stoppzeichen setzt im Umgang mit den politischen Wettbewerbern und überall dort, wo soziale Gerechtigkeit in Sachsen bedroht ist.
Interview: Jürgen Kochinke