Karl Nolle, MdL
DNN/LVZ, 23.05.2008
„Koalition ist kein Zuckerschlecken“
CDU-Fraktionschef Fritz Hähle zieht vor seinem Abgang nach 14 Jahren Bilanz
Dresden. Am Dienstag wählt die CDU-Fraktion mit Kultusminister Steffen Flath ihren neuen Vorsitzenden. Amtsinhaber Fritz Hähle zieht nach 14 Jahren an der Spitze Bilanz.
Frage: Sie ziehen sich zeitgleich mit Ministerpräsident Georg Milbradt auf die Hinterbank zurück. Warum?
Fritz Hähle: Da ich in der nächsten Wahlperiode nicht wieder als Fraktionschef antreten werde, ist es sinnvoll, schon jetzt einen neuen Mann an die Spitze zu wählen. Damit wissen die Wähler, mit welcher Mannschaft die CDU antritt. Steffen Flath ist dabei mein Wunschkandidat.
Ist das ein Abschied in Wehmut oder eine Entlastung?
Wehmut ist schon dabei. Nach 14 Jahren als Vorsitzender kann man sich schwer vorstellen, dass es plötzlich anders sein soll. Aber die Aussicht, dass nicht mehr jedes Problem auf meinem Tisch landet, ist ein wohltuender Gedanke. Denn die Koalition mit der SPD ist kein Zuckerschlecken und sorgt oft für großen Unmut. An manchen Tagen wusste ich nicht, wie es weitergehen soll.
Wie kann die Koalitionsarbeit geräuschloser werden?
Die SPD sollte zu ihrer neuen Einsicht stehen, dass die Koalition erfolgreich arbeitet. Seither steigen auch ihre Umfragewerte. So können wir weiter zusammenarbeiten.
Auch über 2009 hinaus?
Im Notfall, ja. Aber wenn die Wahlergebnisse reichen, sollten wir lieber versuchen, mit der FDP zu koalieren.
Sie waren nie ein Freund Georg Milbradts. Sind Sie erleichtert, dass seine Ära endet?
Ich würde mich schon als einer seiner Freunde bezeichnen. In der Sache habe ich ihn immer unterstützt und ich weiß seine Verdienste zu würdigen. Aber es war kein inniges, herzliches Verhältnis wie zu Kurt Biedenkopf. Erleichtert bin ich, dass wir aus der unendlichen Geschichte der Vorwürfe zur Landesbank herauskommen und einen Neuanfang beginnen – mit Georg Milbradts Hilfe. Dafür bin ich ihm sehr dankbar.
Sein Nachfolger Stanislaw Tillich gilt als eloquenter, aber auch als profilloser und wenig durchsetzungsstark.
Ich traue ihm eine Menge zu. Er ist ein weltgewandter, sprachkundiger Mann, der als Staatskanzleichef in die Geheimnisse der Staatsführung eingedrungen ist und sich als Finanzminister sehr schnell in die Materie eingearbeitet hat. Auch wenn er nicht an den Türen zur Macht gerüttelt hat, wird er sich für die Interessen Sachsens stark machen. Das hat er als EU-Parlamentarier und auch beim Verkauf der Landesbank bereits bewiesen.
Sie sind seit 1990 im Landtag. Wie hat sich die Politik seither verändert?
In den Anfangsjahren einte den Landtag das Ziel, Sachsen wieder aufzubauen, eine neue Demokratie zu etablieren. Der gemeinsame Gegner war die alte SED-Herrschaft. Doch die hehren Versprechungen und die Berührungsängste vor der SED/PDS/ Linke sind bei vielen geschwunden. Die SPD spricht offen über ein rot-rotes Bündnis.
Ein Horrorszenario für Sachsen?
Ich kann davor nur warnen. Den Schaden, den das DDR-System angerichtet hat, habe ich in voller Breite und Tiefe erleben müssen – und ich sehe nicht, dass die gleichen Kräfte, die uns damals in die Irre geführt haben, heute bessere Lösungen anbieten. Vieles von dem, was ich da höre, sind alte Thesen in neuer Sprache – und eine große Portion Populismus.
Es geht aber auch um reale Wünsche der Bürger. Das bringt die CDU in Zugzwang.
Populismus heißt, Versprechungen zu machen, die keine Aussicht auf Erfolg haben. Das ist leicht in der Opposition, aber es ist verantwortungslos. Beim kostenlosen Mittagessen in Kitas und Schulen sind die Wünsche bei der Bevölkerung ja erst geweckt worden. Bevor die Linke damit nicht auf dem Markt war, ist die Forderung von den Bürgern nie erhoben worden. Wir müssen klar sagen, was machbar ist.
Hat die Politik an Glaubwürdigkeit verloren?
Das Geschäft ist zumindest schmutziger geworden. Leute wie Karl Nolle versuchen, dem Gegner hinterherzuspionieren und mit unbewiesenen Vorwürfen am Zeug zu flicken. Auch die inszenierte Luftblase „Sachsen-Sumpf“ war ein direkter Angriff auf den Rechtsstaat. Diese heftigen, zum Teil persönlichen Auseinandersetzungen haben mich zunehmend frustriert. Zudem gibt es Kräfte wie die NPD, die kein Interesse an demokratischen Verfahren haben.
Flath will auf Augenhöhe mit der Regierung verhandeln. War die Fraktion unter Ihnen bloß deren Anhängsel?
Der Kollege Flath wird lernen müssen, dass es widerstreitende Interessen gibt: Während die Fraktion mehr Widerstand gegenüber der Regierung einfordert, erwartet die Regierung, dass man ihre Absichten 1:1 umsetzt. Biedenkopf hat das etwas diplomatischer gemacht, Milbradt etwas direkter. In diesem Spannungsfeld musste ich mich bewähren – aber ich glaube nicht, dass es mir an Augenhöhe gefehlt hat.
Interview: Sven Heitkamp