Karl Nolle, MdL

Freie Presse Chemnitz, 11.06.2008

"Dichter Filz liegt über dem Land"

Linksfraktionschef Andre Hahn über kommunale Schwäche und Machtansprüche seiner Partei
 
Dresden. Die hohe Zustimmung für die CDU auf kommunaler Ebene leugnet er nicht. Doch auf Landesebene hat die Union abgewirtschaftet, behauptet Andre Hahn. Deswegen steht er zur Ablösungbereit Von einer Regierungsteilnahme verspricht sich der Fraktionschef der Linken im sächsischen Landtag größere Akzeptanz in Kommunen und Kreisen. Uber die Schwächen und Machtambitionen der Linken sprach Hubert Kemper mit Hahn.

Freie Presse: Die CDU hat längst abgewirtschaftet, behaupten Sie. Warum ist sie dann aber klarer Sieger der Kommunalwahlen?

Andre Hahn: Auf die Landesebene bezogen halte ich an meiner negativen Einschätzung fest. Daran ändern auch die medialen Tillich-Festspiele der letzten Wochen nichts. Kommunalwahlen sind Personenwahlen. Da hat die CDU vielerorts Bürgermeister und Landräte mit offenbar hoher Akzeptanz aufgeboten.

Freie Presse: Also ist die Union in der Mitte der Gesellschaft offenbar besser verankert als Ihre Linkspartei?

Hahn: Der CDU ist es in 18 Jahren absolutistischer Herrschaft gelungen, einen dichten Filz über das Land zu legen, unter dem wichtige Pöstchen verteilt worden sind.

Freie Presse: Vielleicht ist die Zufriedenheit größer als Ihnen Recht ist

Hahn: Die hohe Wahlenthaltung spricht eine andere Sprache. Sie istauch Ausdruck des Protestes gegen die verkorkste Kreisreform. Lieber wäre mir gewesen, die Menschen hätten bei der Wahl die Verantwortlichen abgestraft.

Freie Presse: Wofür?

Hahn: Dass eine Reform über Ihre Köpfe hinweg vollzogen und wirkliche Einschnitte bei der Verwaltung, wie die Auflösung der Regierungspräsidien oder der Regionalschulämter, aus Proporzgründen vermieden wurden.

Freie Presse: Ihre Partei musste mit zehn Landtagsabgeordneten kommunale Personaldefizite ausgleichen. Sind Sie eine Dame ohne Unterleib?

Hahn: Das Bild klingt griffig, stimmt aber nicht. Ich selbst habe bei der Kreistagswahl fast 3o Prozent bekommen. Der SPD-Kollege
Martin Dulig ist übrigens bei seiner Kandidatur in Meißen gescheitert. Wir haben auf dem kommunalen Parkett gute Leute, doch fehlt ihnen oft die Bekanntheit und auch die administrative Erfahrung. Wie schnell sich das Blatt wenden kann, wenn wir mitregieren, zeigt Mecklenburg-Vorpommern mit drei Landräten der Linken.

Freie Presse: Ein Argument, um auch in Sachsen an die Macht zu kommen?

Hahn: Die Zeit ist auch in Sachsen überreif. Dass wir Opposition können, haben wir bewiesen. Nun wollen wir zeigen, dass wir das Land auch voran bringen können.

Freie Presse: Als Protestpartei haben Sie überall an Kredit verloren, wo Sie in der Regierung Realitäten anerkennen mussten.

Hahn: Wer in die Regierung gehen will, muss Partner suchen und vertretbare Kompromisse eingehen. Das kann Stimmen kosten wie in Berlin. Dort hat die rot-rote Koalition von der CDU allerdings ein marodes Land übernommen.

Freie Presse: Was würden Sie aus einem gesunden Sachsen machen?

Hahn: Wir stellen seit acht Jahren einen alternativen Haushalt vor, der für alle Ausgaben Deckungsvorschläge bietet, also keine Neuverschuldung kennt.

Freie Presse: Sie würden also den Finanzkurs von Georg Milbradt fortsetzen?

Hahn: Wir würden eine solide Finanzpolitik betreiben. Wie überhaupt unsere inhaltlichen Positionen klar umrissen und auf ihre Realitätstauglichkeit abgeklopft worden sind.

Freie Presse: Kritiker werfen Ihnen allerdings vor, ein Jahr lang vor allem Krawallpolitik betrieben zu haben.

Hahn: Dieser Vorwurf ist absurd. Ich habe schon am Tag meiner Wahl einen umfassenden Katalog mit Sachthemen vorgestellt. Wir haben 29 Gesetzesentwürfe erarbeitet. Noch vor der Landtagswahl werden wir ein Leitbild „Sachsen 2020" präsentieren.

Freie Presse: Ihr Name ist aber eher besetzt mit heftigen Attacken und überzogener Skandalisierung. Erleben wir künftig einen anderen Hahn?

Hahn: Wenn Sie den so genannten Sachsensumpf meinen: Da ist es vor allem uns zu verdanken, dass die Akten des Verfassungsschutzes nicht geschreddert worden sind. Als Ergebnis des Skandals gibt es doch nur zwei Alternativen: Entweder die 15.600 Seiten sind frei erfunden. Dann wäre es auch eine Affäre des Innenministers. Oder es hat tatsächlich vertuschte Straftaten gegeben. Zu beidem darf die Opposition nicht schweigen.

Freie Presse: Ein Blick auf wog: Werden Sie als Kandidat um den Ministerpräsidentenposten antreten?

Hahn: Als Chef der stärksten Oppositionsfraktion muss man grundsätzlich bereit sein, diese Verantwortung zu übernehmen. Über diese Frage entscheidet aber die Partei im Oktober.