Karl Nolle, MdL
Sächsische Zeitung, 12.07.2008
Kampf um umstrittene Akten findet kein Ende
Am 29. August entscheidet das Verfassungsgericht, ob der Landtag die sogenannte Korruptionsaffäre untersuchen darf.
Nach seiner Wahl zum Vorsitzenden des „Sachsensumpf“-Untersuchungsausschusses sprühte Klaus Bartl vor Selbstbewusstsein. Er werde sich von der Regierung nichts ggefallen lassen und zur Not Ministerien und Behörden durchsuchen und Akten beschlagnahmen lassen, wenn sie nicht kooperierten, verkündete der Linkspolitiker im vorigen Sommer.
Innen- und Justizministerium haben den Ausschuss dennoch am ausgestreckten Arm verhungern lassen. Nicht ein Blatt Papier aus den Verfassungsschutzakten haben die Abgeordneten erhalten. Der Ausschuss, in dem auch Abgeordnete von CDU und SPD sitzen, sei verfassungswidrig, lautet die Begründung.
Akademischer Schlagabtausch
Gestern, gut ein Jahr nach den ersten Schlagzeilen über angebliche korruptive Netzwerke in Sachsen, trafen sich die Kontrahenten vor dem Verfassungsgerichtshof in Leipzig. Die Richter sollen entscheiden, ob der Untersuchungsauftrag des Ausschusses verfassungsgemäß ist und die Regierung die zur Aufklärung nötigen Akten herausrücken muss.
Der Prozessvertreter der Regierung, Prof. Klaus Finkelnburg, sagte, der Landtag habe dem Ausschuss einen zu ungenauen Auftrag erteilt. Er verwende nebulöse Begriffe wie „korruptive und kriminelle Netzwerke“, unter denen sich keiner etwas vorstellen könne. Außerdem enthalte der Landtagsbeschluss Vorverurteilungen der Regierung. Das Ergebnis der Untersuchung werde schon vorher festgeschrieben. Und solange die Staatsanwaltschaft noch in 26 Fällen ermittele, sei der Vorgang nicht abgeschlossen und deshalb untauglich für einen Untersuchungsausschuss.
Prof. Martin Morlok, Vertreter des Untersuchungsausschusses, entgegnete, es sei bundesweit einzigartig, dass eine Regierung sich der Kontrolle durch den Landtag total verweigere. Die Begriffe „korruptive und kriminelle Netzwerke“ habe die Regierung selbst verwendet, sagte Morlok und verwies auf die berüchtigte Rede von Innenminister Albrecht Buttolo (CDU), in der dieser im vorigen Sommer vor einem „perfiden Netzwerk“ in Sachsen gewarnt hatte.
Regierung antwortet nicht
Bartl warf der Koalition in der Verhandlung vor, jegliche Versuche der Verständigung im Landtag torpediert zu haben. Er habe die CDU um Hinweise gebeten, unter welchen Bedingungen sie einem Untersuchungsausschuss zustimmen würden, aber keine Antwort erhalten. Auch der Juristische Dienst des Parlaments habe die Beratung des Ausschusses verweigert.
Der Verfassungsgerichtshof hat nicht erkennen lassen, wie er den Fall bewertet. Am 29. August ist Verkündungstermin. Jürgen Rühmann, Mitglied des Gerichtshofs, erkundigte sich bei den Streitparteien, ob der Ausschuss ihrer Meinung nach wenigstens in Teilen rechtmäßig sein könnte. Viel werde nach einer juristischen Prüfung wohl nicht übrig bleiben, antwortete Finkelnburg. Es sei wohl das Beste, der Landtag setze einen neuen Ausschuss ein – wohl wissend, dass dieser kaum ausreichend Zeit hätte, zu einem Ergebnis zu kommen.
Spätestens seitdem die Staatsanwaltschaft im April ihre Korruptions-Ermittlungen gegen Richter, Staatsanwälte und einen Immobilienmanager eingestellt hat, betrachtet die Regierung die Affäre für beendet. Die Justiz beschäftigt sich jetzt mit der Frage, wer bei Verfassungsschutz oder Polizei für die Verbreitung der haltlosen Vorwürfe verantwortlich ist. Auch Schadensersatzforderungen gegen das Land wurden bereits erhoben.
Würde der Ausschuss Einblick in die Verfassungsschutzakten erhalten, stünde der „Sachsensumpf“ wieder auf der Tagesordnung.
Von Karin Schlottmann