Karl Nolle, MdL

Agenturen, ddp-lsc, 11:00 Uhr, 12.07.2008

Krumme Geschäfte in der Kindervilla

Wie an Existenzgründung interessierte Kindererzieher um ihr Geld gebracht wurden
 
Dresden (ddp-lsc). Berlin, Hamburg, Stuttgart, Dortmund, Köln, Leipzig: Das seien nur einige deutsche Städte, in denen private Kindergärten der Marken «Kindervilla» und «Knirpsenparadies» entstehen, verkündet die Kindervilla Franchise GmbH in Dresden auf ihrem Internet-Portal. Sogar in Österreich stünden Kindervillen ante portas. Zu einer Veranstaltung des Deutschen Jugendinstituts in München im Juni 2008 wurde Kindervilla-Chefin Carina Michalke eingeladen, um ihr «Erfolgskonzept» vorzustellen. Doch als sie ihre Computer-Präsentation nicht bedienen konnte und ihr ein unangemeldeter Teilnehmer aus dem Publikum zu Hilfe eilte, hätte Misstrauen aufkommen müssen. Er heißt Stephan Michalke und gilt in Sachsen als schillernde Figur.

Ende 2000 hatte der Elektromonteur Michalke das Kolping- Bildungswerk Sachsen e.V. der katholischen Kirche in die Insolvenz geführt. Die Gläubigerforderungen lagen bei rund 60 Millionen Euro. In einem der größten Wirtschaftsverfahren in Sachsen brauchte die Justiz fast sechs Jahre bis zur Urteilsverkündung. Die Richterin verhängte 2007 ein mildes Urteil gegen Michalke: wegen Untreue und Vorenthaltung von Arbeitsentgelt 15 Monate auf Bewährung und eine Geldstrafe von 18 000 Euro. Michalke legte Revision ein.

2002 startete Michalke sein nächstes Geschäft: Kindervillen. Aus einem Vorzeigeobjekt «Kindervilla» in Dresden, aufgebaut durch die engagierte und angesehene Kindererzieherin Ines Eckert, wurde unter Michalke ein Franchise-System entwickelt. Gesellschafter der Kindervilla Franchise GmbH waren Michalke und Eckert. Franchise-Nehmer wurden Erzieher, die sich selbstständig machen wollten. Die Franchise-Zentrale vermittelte den Franchise-Nehmern die Finanzierung, die den Weg zum schlüsselfertigen Kindergarten ermöglichen sollte; diese erfolgte exklusiv über die Filiale der Bank für Sozialwirtschaft (BfS) in Dresden.

Michalkes Franchise-Zentrale kassierte den größten Teil der Existenzgründerkredite. Doch die versprochenen Kindervillen wurden nicht gebaut. Die Erzieher hatten sich hoch verschuldet, erhielten aber keine Gegenleistung. Ende März 2005 trafen sich die ersten Franchise-Nehmer heimlich mit Eckert, um ihr Misstrauen gegenüber Michalke zu bekunden.

Kurz danach, am 4. April 2005, starb Ines Eckert bei einem tragischen Unfall. Als kurz danach Eckerts Ehemann ebenfalls starb, fiel die Franchise-Zentrale gänzlich Michalke zu. Als die Staatsanwaltschaft Ende 2006 gegen Michalke Anklage wegen Untreue in Sachen Kolping-Bildungswerk erhob, zog er sich aus seinem Unternehmens-Imperium zurück. Seine spätere Ehefrau Carina ist seitdem Gesellschafterin. Er tritt seither als Berater auf.

Immer wieder vermochte es Michalke, die enttäuschten Franchise-Nehmer zu vertrösten. Doch Anfang 2007 reichten die ersten von ihnen Zivilklage ein. Sie befürchteten, dass bei der Kindervilla Franchise GmbH kein Geld mehr zu holen sei, und engagierten deshalb den Leipziger Unternehmensberater Kurt Seitz. «Ich stellte fest, dass die Genehmigungen und Auszahlungen der Kredite ungewöhnlich abliefen, die Interessen der Franchise-Nehmer kaum geschützt wurden und das meiste Geld direkt an die Franchise-Zentrale floss», erinnert sich Seitz.

Das Abkassieren der Existenzgründerkredite konnte die Kindervilla Franchise GmbH aber nicht allein bewerkstelligen. Dieser Verdacht des Beraters verstärkte sich, als bekannt wurde: Der für diese Kredite zuständige Mitarbeiter der BfS war vorzeitig in den Ruhestand gegangen, um als Vorstand von Carina Michalkes Ablony AG wieder aufzutauchen.

Bundesweit hatten sich Erzieher mit insgesamt mehreren Millionen Euro verschuldet und keine Leistung der Kindervilla Franchise GmbH erhalten. Die Sachlage war klar, und die BfS sah sich gehalten einzulenken. Es kam zu einer Vereinbarung mit den Existenzgründern.

Für die Kindervilla Franchise GmbH, die einen Zivilprozess nach dem anderem gegen Franchise-Nehmer verliert, gibt es kaum eine Zukunft. In den Prozessen wird die Firma zur Rückzahlung von Franchise-Nehmer-Geldern verurteilt. Gegen die ehemalige Eckert-Kindervilla in Dresden-Mitte läuft eine Räumungsklage. Ende 2007 wurde ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen die Kindervilla Franchise GmbH gestellt. Die Staatsanwaltschaft Dresden ermittelt gegenwärtig gegen Stephan und Carina Michalke wegen Insolvenzverschleppung im Zusammenhang mit den Kindervillen.

Doch für diese Eventualität ist vorgesorgt: Auf dem Podium beim Deutschen Jugendinstitut in München warb Carina Michalke gemeinsam mit Klaus-Peter Möhres für das Kindervilla-Franchise-Konzept. Der 61-jährige Möhres, Aufsichtsratsvorsitzender bei Frau Michalkes Ablony AG, zeichnet neuerdings als Geschäftsführer einer gemeinnützigen GmbH namens «Denk mal an Kinder». Gegenstand der Firma ist die Förderung von Kindern und Jugendlichen insbesondere durch Kinderbetreuungseinrichtungen, geführt «nach dem Organisationsprinzip der Marken Kindervilla, Knirpsenparadies, Happy Learn Club». Gesellschafter dieser gemeinnützigen GmbH ist eine Stiftung «Denk mal an...» in Dresden.

Über die Hintermänner der Stiftung will sich Möhres auf Anfrage der Nachrichtenagentur ddp nicht äußern. Wer hinter Stiftungen steht, wird vom Staat streng geheim gehalten. Doch ddp fand die Namen der Stiftungs-Vorstände heraus: Stephan Michalke (Vorsitzender) und Carina Michalke.

ddp/mdr/hoe
121100 Jul 08