Karl Nolle, MdL
DiePresse.com, 10.07.2008
Enthüllungen: Wie sich Analysten kaufen lassen
Die US-Börsenpolizei veröffentlicht interne E-Mails von Ratingagenturen.
New York (höll).Sind Ratingagenturen käuflich? Ein jetzt veröffentlichter Bericht der US-Börsenaufsicht SEC brachte erstaunliche Dinge zu Tage. So erlaubte eine Agentur bis vor kurzem, dass Analysten mit Firmen, die bewertet werden sollen, über ein Honorar verhandeln dürfen.
Um wen es dabei geht, wollte SEC-Chef Christopher Cox nicht sagen. Nur soviel: „Wir haben bei den Agenturen schwere Mängel festgestellt.“ Die Untersuchungen sind deswegen so brisant, weil Ratingagenturen eine enorme Macht haben. Sie bewerten die Kreditwürdigkeit von Unternehmen und Ländern. Firmen mit einem besonders schlechten Rating haben es schwer, einen Kredit zu bekommen.
Brisante E-Mails
Auch in Österreich werden viele Großunternehmen von den Agenturen unter die Lupe genommen. Früher genossen die Bewertungsgesellschaften eine hohe Reputation. Doch im Zusammenhang mit der US-Subprime-Krise haben sie an Glaubwürdigkeit verloren.
Denn die Bonitätswächter stuften die faulen US-Immobilienkredite lange Zeit mit exzellenten Noten ein. Experten geben ihnen eine Mitschuld an der jetzigen Finanzkrise.
Untersucht wurden von der US-Börsenpolizei SEC alle führenden Agenturen wie Fitch, Standard & Poor's sowie Moody's. Alle drei sind auch in Österreich tätig.
In dem 37-seitigen Bericht zitiert die SEC aus anonymen internen Mitteilungen der in den Verruf geratenen Gesellschaften.
In einer E-Mail vom Dezember 2006 bezeichnete ein Analyst den stark gewachsenen Markt mit strukturierten Bankprodukten als „Monster“. „Lass uns hoffen, dass wir alle reich und pensioniert sind, wenn dieses Kartenhaus zusammenbricht“, schrieb er einem Kollegen.
Eine andere Analystin beschwerte sich bei ihren Vorgesetzten, dass sie das Risiko einer Wertpapier-Emission nicht angemessen einschätzen könne, weil ihr notwendige Informationen fehlen. „Das könnte von Kühen strukturiert sein, und wir würden es bewerten“, kritisierte sie im April 2007.
Besonders heikel sind jene Hinweise, dass sich die Agenturen für ihre Arbeit bezahlen lassen haben. „Ich versuche zu ermitteln, ob wir wegen unserer Einschätzung Geschäft verlieren und wenn ja, wie viel“, schrieb ein Mitarbeiter. Er fügte hinzu, dass Kollegen mit der Bewertung nicht einverstanden sind, weil es das Geschäft negativ beeinflussen könnte.
EU will schärfere Kontrollen
Nach diesen Enthüllungen wollen die EU-Finanzminister die Kontrollen über die Ratingagenturen verschärfen. So wird die Einführung eines Registrierungssystem wie in den USA geprüft. Auch strengere Gesetze sind geplant. So sollen die Bewertungsgesellschaften keine Wertpapier mehr benoten dürfen, an deren Emission sie beteiligt waren.