Karl Nolle, MdL

Freie Presse Chemnitz, 02.08.2008

Wie die Sparkassen nach dem großen Geld schielten

Milliardendesaster der Sachsen-LB: Ausschuss-Obmann Nolle wirft Verwaltungsrat Versagen vor - Kreditausschuss-Vize Scholz sah in riskanten Fonds „innovative Struktur"
 
Plauen. Beim Milliardendesaster der Sächsischen Landesbank (SLB) haben offenkundig auch Sparkassenvorstände eine stärkere Rolle gespielt als bislang bekannt. Darauf lassen interne Protokolle zweier Sitzungen des Kreditausschusses der SachsenLB schließen, die der „Freien Presse" vorliegen und insbesondere die Vorgänge um den so genannten Ormond Quay beleuchten. Jene 2004 gegründete Gesellschaft, in Dublin von der SLB-Tochter Sachsen LB Europe gemanagt, jonglierte mit riskanten kurzfristigen Anleihen und riss im Sommer 2007 die SLB in eine Krise, von der sie sich nicht mehr erholte.

Licht in die Arbeitsweise der Aufseher über den SLB-Vorstand bringen Protokolle der Kreditausschusssitzungen vom 30. Juni 2004 und vom 16. Juni 2005. Mittendrin in der Diskussion um Chancen und Risiken des Ormond Quay: Arthur Scholz, Vorstandschef der Sparkasse Vogtland sowie zu der Zeit Verwaltungsratsmitglied der SLB und Vizechef des SLBKreditausschusses. Die Sitzung im Sommer 2004 leitete Scholz in Vertretung des damaligen Finanzministers Horst Metz (CDU). Dem Gremium gehörten neben Landtagsabgeordneten wie Gunter Bolick (CDU) aus Glauchau und Gunter Lochbaum (SPD) aus Plauen insbesondere Sparkassen-Vorstände an: der spätere SLB-Chef Herbert Süß aus Dresden, die nicht stimmberechtigten Sparkassenvorstände Roland Manz (Stollberg) und Heinrich Zilker (Zwickau).

SLB trug das Risiko allein

Jener Kreditausschuss beriet am 30. Juni 2004 ausführlich über den Ormond Quay. Dazu lag auch eine Stellungnahme des Kreditrisikomanagements der SLB vom 17. Juni 2004 vor, die vor den Risiken warnte. Um „Liquiditätsdefizite zu überbrücken und (...) Verluste auszugleichen, übernehmen die Sachsen-LB Europe PLC (zu 96 %) und die Sachsen-LB (zu 4 %) fast alle wesentlichen wirtschaftlichen Risiken der Finanzierungsstruktur für das 5-MilliardenEuro-Programm", erklärt die SLBFachabteilung in auch für Laien verständlichen Worten. Diese Passage war fett gedruckt, geholfen hat's nicht. Im mager gedruckten Fazit hieß es: „Das Risiko aus der Finanzierungsstruktur erscheint uns insgesamt überschaubar zu sein." So ging man das Risiko ein.

Ein Jahr später, das riskante Geschäft lief prächtig, drängten die Sparkassen an die Geldtöpfe. Im Protokoll der Kreditausschusssitzung vom 16. Juni 2005 heißt es wörtlich: „Herr Scholz bedankt sich für die Vorgehensweise und die Beteiligung an einer solchen innovativen Struktur. Er bittet um Prüfung, ob sich Sparkassen an diesem Geschäft beteiligen könnten. Er weist darauf hin, dass deutsche Maßstäbe des Risikocontrollings anzuwenden seien, damit keine zusätzlichen Risiken entstünden." Scholz' Vorstoß wurde von seinem Zwickauer Kollegen Zilker untermauert, auch Finanzminister Metz drängte auf eine Entscheidung.

Lediglich Christoph Habermann, der damalige Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, bohrte nach: Welche Auswirkungen seien von einer möglichen Immobilienspekulationsblase zu erwarten? Wie könnte ein möglicher Maximalausfall aussehen? SLB-Vorstandsmitglied Gerrit Raupach schob die Bedenken laut Protokoll beiseite.'

Zwischen beiden entscheidenden Kreditausschusssitzungen, so berichtete im Juli das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel" („Casino provincial"/ Nr. 28/2008), schickte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen die Wirtschaftsprüfungsfirma KPMG los, um den Risiken auf den Grund zu gehen. Das im April 2005 vorgelegte Ergebnis der Prüfer sei verheerend ausgefallen. Der Verwaltungsrat der Sachsen LB habe „keinen Gesamtüberblick", die interne Revision habe nicht richtig funktioniert.

Vogtland-Banker schweigt

Der damalige Verwaltungsrat und Kreditausschuss-Vize Arthur Scholz will all das nicht kommentieren. Er lässt die Pressestelle der Sparkasse Vogtland erklären, er könne „aufgrund der Verschwiegenheitspflicht" keine Auskunft erteilen. Ein „hohes Maß an Verantwortung" für das Desaster sieht indes Karl Nolle, Landtagsabgeordneter und SPD-Obmann im SLB-Untersuchungsausschuss, bei den Verwaltungsräten und speziell bei Scholz.

Der habe als Stellvertreter von Ausschusschef Metz für die Sparkassen „auch so einen schönen Ormond-Quay-Fonds erbetteln wollen". Das sei „bezeichnend für die Ahnungslosigkeit mancher Ausschussmitglieder, sogar von Sparkassenvorsitzenden, denen man gewisse Fachkompetenz unterstellen muss", so Nolle. Letztlich sei es im Frühjahr 2007 mit dem Sachsen Funding auch so passiert, „den man vollgestopft hatte mit US Schrottimmoblien-Krediten". Jener Fonds und der Ormond Quay „haben der SLB das Genick gebrochen".

Am Januar 1992 war die Sachsen-LB als Landesbank mit Sitz in Leipzig gegründet worden, am 1. Januar 2008 wurde sie eine hundertprozentige Tochter der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), mit der sie am 1. April verschmolzen wurde und erlosch. Die Fehlspekulationen der Dubliner Tochter, das Engagement der SLB auf dem US-Hypothekenmarkt, hatten vor einem Jahr das Ende der einzigen ostdeutschen Landesbank eingeläutet. Allein aus der normalen Geschäftstätigkeit für 2007 betrug das Minus 641,6 Millionen Euro. Die EU-Kommission genehmigte ein Hilfspaket. Die Sparkassenfinanzgruppe stellte 17 Milliarden Euro Liquiditätshilfe zur Verfügung. Für Risiken aus früheren Geschäften bürgt der Freistaat Sachsen mit 2,75 Milliarden Euro.
von Ulrich Riedel