Karl Nolle, MdL
n.r.v. Neue Richtervereinigung Sachsen e.V., Wahlinfo 2008, 27.08.2008
Die rechtsprechende Gewalt ist den Richtern und Staatsanwälten anvertraut, nicht den Justizministern, Artt. 92, 97 Abs.1 GG.
... der Freistaat Sachsen traut seinen Richtern und Staatsanwälten so wenig Mitbestimmung zu, wie sonst kein anderes Bundesland ...
Wahlen, Wahlen, Wahlen: wozu wählen?
(Aufruf zur Stärkung der Mitbestimmungsrechte von Richtern und Staatsanwälten und zur überfälligen Novellierung des Richtergesetzes in Sachsen ...)
Liebe Kollegen, Sie werden im September darüber entscheiden, wer Sie in den nächsten fünf Jahren im Landes-und Hauptstaatsanwaltsrat, im Landesrichter- und im Präsidialrat vertreten, wer dort für Sie sprechen und mitbestimmen wird. Die Neue RichterVereinigung bittet Sie, Ihr aktives Wahlrecht auszuüben. Je mehr Staatsanwälte und Richter sich an der Wahl der Räte beteiligen, desto schwieriger wird es für die Verwaltung, die Stellungnahmen der Räte zu übergehen.
Wir bitten Sie auch, den Kandidaten Ihre Stimme zu geben, die wir Ihnen in diesem Heft vorschlagen und vorstellen. Der Justizminister Heitmann, auf den die Wahlordnung zurückgeht, wollte, dass die Verbände möglichst wenig Einfluss auf die Wahl haben, deswegen können Sie den Kandidaten auf dem Wahlzettel nicht mehr ansehen, wer sie vorgeschlagen hat. Es empfiehlt sich daher, dieses Heft solange aufzubewahren, bis Sie Ihre Stimmen abgegeben haben.
Die rechtsprechende Gewalt ist den Richtern und Staatsanwälten anvertraut, nicht den Justizministern, Artt. 92, 97 Abs.1 GG. Damit die Richter unabhängig und eine Dritte Gewalt im Staat sein können, darf nicht der Justizminister allein über Einstellung und Beförderung entscheiden und er darf die Arbeitsbedingungen der Richter und Staatsanwälte nicht allein regeln können. Bei Personalentscheidungen wirken der Präsidial- und der Hauptstaatsanwaltsrat mit, bei der Gestaltung der Arbeitsbedingungen der Landesrichterund Landesstaatsanwaltsrat.
Nun haben in Sachsen die bisherigen Justizminister und die CDU Landtagsfraktion dafür gesorgt, dass Ihre Mitwirkungsmöglichkeiten so gering wie möglich ausgestaltet sind. Für die laufende Legislatur hatten CDU und SPD zwar in den Koalitionsvertrag geschrieben, das Richtergesetz novellieren und die Mitwirkungsrechte stärken zu wollen, dieses Vorhaben ist aber nach der Expertenanhörung im Rechts- und Verfassungsausschuss von der Tagungsordnung verschwunden. Die Experten hatten keinen Zweifel daran gelassen, dass die geplante Reform bestenfalls ein Reförmchen wäre, weil der Freistaat Sachsen seinen Richtern und Staatsanwälten so wenig Mitbestimmung zutraue, wie sonst kein anderes Bundesland. Ob sich die Regierungskoalition deswegen so geniert hat, dass man nichts mehr von der Novellierung des Richtergesetzes hört?
Umso wichtiger ist es, dass Sie Mitglieder und Vorsitzende in die Räte wählen, die gegenüber dem Ministerium selbstbewusst auftreten können und einen eigenen Willen entwickeln und durchhalten. Das ist nicht so leicht. Denn unser Minister neigt dazu, die Stellungnahmen des Landesrichterrats zum Beispiel zu ignorieren. Das Musterbeispiel liefert das Jahresgespräch.
Der Minister und die Staatssekretärin tun auch sonst viel, um Ihnen zu verdeutlichen, dass eine besser ausgestattete Mitbestimmung Not tut.
Es geht damit an, dass der Minister in Zeitungsinterviews einzelne Kollegen vorführt mit der süffisanten Bemerkung, sie trügen ihre Unabhängigkeit wie eine Monstranz vor sich her, dass er während der schwebenden Arbeitsgerichtsverfahren Empfehlungen abgegeben hat, wie im Lokführerstreik zu entscheiden sei.
Es geht weiter damit, dass die Ausschreibungen von Beförderungsstellen mal auf Versetzungsbewerber und mal auf Aufstiegsbewerber beschränkt werden, je nachdem, welcher Kandidat das Rennen machen soll. Es ist wahr, aus Gründen der langfristigen Personalplanung dürfen Ausschreibungen auf die genannte Weise eingeschränkt werden, aber von langfristiger (nicht einmal von mittelfristiger) Personalplanung kann in Sachsen keine Rede sein.
Es ist Willkür, wenn sich als Vizepräsident des Amtsgerichts Dresden nur bewerben darf, wer schon ein Amt der Besoldungsgruppe R 2 mit Zulage innehat. Es ist auch Willkür, wenn der Präsident des Amtsgerichts Leipzig so ausgeschrieben wird, dass der Präsident des Amtsgerichts Chemnitz sich nicht bewerben kann.
Es weckt kein Vertrauen, wenn die Teilnahme an einer Serie von Tagungen, die Führungswissen vermitteln,handverlesenen Kollegen vorbehalten bleibt.
Und es hört nicht auf damit, dass unsere Staatssekretärin einen eigenen Umgangston in Personalsachen pflegt: Es ist zu besetzen die Position des Leitenden Oberstaatsanwalts. Frau Staatssekretärin regt an, dass sich ein Kollege Amtsgerichtsdirektor bewerbe. Der tut es. Kurze Zeit danach sagt sie ihm, er solle seine Bewerbung zurücknehmen. Auf die erstaunte Frage, warum sie so schnell anderen Sinnes geworden sei, eröffnet sie ihm, man habe inzwischen entdeckt, er sei ein Schlamper, zieht ein Urteil des Kollegen hervor, in dem er in einem rechtskräftigen Urteil im Tenor die Gesamtstrafe richtig gebildet, in den Gründen aber nur die Einzelstrafen, nicht die Gesamtstrafe begründet hatte.(Dieses Urteil scheint sie von einem anderen Kollegen erhalten zu haben, der eine Sammlung von solchen "Kuriosa" angelegt hat, die er zu Unterrichtszwecken verwendet.
Dieser Kollege könnte jemand sein, den die Staatssekretärin inzwischen lieber als Leitenden Oberstaatsanwalt sähe.) Als der Kollege Amtsgerichtsdirektor daraufhin nicht gleich klein bei gibt, sagt sie ihm, man könne auch einen Aktensturz machen, weitere solche Flüchtigkeitsfehler finden und seine dienstliche Beurteilung nachträglich ändern.
Zu schlechter Letzt: Unser Minister hat nichts dafür getan, die Besoldungsangleichung der Kollegen, die für dieselbe Arbeit Jahr um Jahr weniger bezahlt bekommen, voranzubringen. Er hat das sächsische Besoldungsgesetz mitgetragen, das den Rechtspflegern, Staatsanwälten und Richtern die Angleichung noch weitere zwei Jahre hinausgeschoben hat.
Wenn Sie das alles auch nicht gut finden, wählen Sie Kandidaten der n.r.v. .
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von Dr. Rüdiger Söhnen,
Vorsitzender Richter am OLG Dresden,
Sprecher der Neuen Richtervereinigung Sachsen e.V.